Warum Firmen über Gleichstellung reden sollten

Farner und Rod - Die grüne Welle sei vorbei, nun bahne sich die lila Welle an: Laut den Agenturen Rod und Farner sollten Firmen aufzeigen, wo sie in Gleichstellungsfragen stehen. Auch wenn die Realität noch nicht perfekt sei: Die «Frauenfrage» sei eine grosse Chance fürs Marketing.

von Loric Lehmann

Am Montag war Weltfrauentag. Zu diesem Anlass richteten einige Medien die Aufmerksamkeit auf Gleichstellungsfragen. Denn eines wird je länger je mehr klar: Obwohl in der Vergangenheit hierzulande viel diskutiert, angeprangert und auch versprochen wurde, hinkt die Schweiz im internationalen Vergleich immer noch hinterher: Beim «Global Gender Gap Index 2020» des World Economic Forum liegt das Land auf Platz 18 – gleich hinter den Philippinen und Südafrika.


Doch obwohl man sich eigentlich einig ist, dass etwas getan werden muss, zögert die Mehrheit der Schweizer Unternehmen, sich bei der «Frauenfrage» zu positionieren. Auch dieser Weltfrauentag wurde kommunikativ von kaum einem Brand aufgenommen – ebenso wenig wie vergleichbare Events in der Vergangenheit.

Die Agentur Rod Kommunikation, die Teil der Farner Gruppe ist, hat dies zum Anlass genommen, um Unternehmen darüber aufzuklären, wie sie sich in diesem Thema positionieren sollten. Denn dass sie dies irgendwann tun müssen, steht aus Sicht der Agentur ausser Frage, wie nach dem einstündigen Webinar mit dem Namen «It’s the women, stupid» klar wurde.

Ungenutzte Differenzierungschance

Wie bereits erwähnt, traut sich kaum eine Firma oder Organisation in der Schweiz, in Gleichstellungsfragen aktiv Stellung zu beziehen und dies zu kommunizieren. «Das ist eine der ungenutztesten Differenzierungschancen unserer Zeit», sagt Regula Bührer Fecker, Co-Gründerin von Rod Kommunikation im Webinar. Doch zuerst: Warum tun sich Unternehmen dabei so schwer?

Bührer Fecker kennt Antworten. Viele Unternehmen fürchteten, bei einer klaren Positionierung ins Rampenlicht zu rücken, sodass die eignen Schwächen öffentlich diskutiert werden könnten. Sprich: Sie fürchteten einen Shitstorm. Viele Unternehmen hätten «Angst vor der feministischen Wut», sagt die zweifache Werberin des Jahres. Dies sei jedoch ein Irrtum. Denn heutzutage sei der Feminismus längst salonfähig geworden.

 


Internationale Unternehmen würden die richtige kommunikative Umsetzung vormachen – aber auch einige wenige Schweizer. So gebe es im «grossen Schweigen» der Brands, so von Bührer Fecker bezeichnet, Ausnahmen: das Sponsoring der höchsten Schweizer Frauenfussballliga durch die Axa, Ringiers Equal-Voice-Initiative, Ikeas Kampagne zum Vaterschaftsurlaub oder die Employer-Branding-Kampagne der SBB.

Frauen fällen Kaufentscheide, sind Arbeitskräfte

Auch Jessica Zuber, Consultant bei Farner und Co-Kampagnenleiterin der «Ehe für alle» bei Operation Libero, fordert Unternehmen auf, jetzt Stellung zu beziehen. Denn nur schon gesetzlich seien diese dazu verpflichtet: Seit 1991 das Gleichstellungsgesetz eingeführt wurde, müssten sie gleichen Lohn für gleiche Arbeit zahlen. Dass die Realität anders ausschaut, ist gemeinhin bekannt. Man sollte sich auch vor Augen führen, dass es oft die Frauen sind, die Kaufentscheide in den Haushalten fällen, so Zuber. Sie spielen auch als Arbeitskräfte eine wichtige Rolle: Man denke nur an den steigenden Anteil an Studienanfängerinnen von mittlerweile 53 Prozent an den Schweizer Hochschulen, führt Zuber weiter aus.

Kämen die Unternehmen ihren Pflichten nicht nach, drohe ihnen, den Anschluss zu verpassen. Denn das Profilierungs- und Differenzierungspotenzial wird nicht mehr lange brachliegen, sagt Zuber. Deshalb ihr Appell: «Die Frauenfrage muss von den Unternehmen in die Agenda gehoben werden.» Der grosse, pinke Elefant im Raum müsse adressiert und priorisiert werden. Dazu müsse man als Unternehmen noch nicht in Gleichstellungsthemen perfekt aufgestellt sein: «Andere haben ja die gleichen Probleme», sagt die ehemalige Co-Geschäftsführerin von Alliance F.

Nicht perfekt sein, aber Hauptsache unterwegs

So ruft Farner dazu auf, intern sowie extern Assessments und Untersuchungen zur Aufstellung im Unternehmen durchzuführen, langfristige Baustellen sowie kurzfristige Quick-Wins zu identifizieren, diese umzusetzen und kommunikativ zu adressieren. Im Stil von: «Wir sind nicht perfekt, aber wir sind unterwegs.»


Die sich bietende Chance verdeutlicht Bührer Fecker mit einem Vergleich. Denn schon einmal sorgte ein gesellschaftlicher Trend für einen Schub an Profilierungen: Viele Unternehmen surften auf der grünen Welle der Nachhaltigkeitsthemen. «Heute ist es hingegen sehr schwierig geworden, sich in diesem Thema als Brand besonders zu profilieren», sagt Bührer Fecker abschliessend. «Bei der lila Welle ist dies hingegen (noch) einfach.»