TV-Kritik

Biografien von Bodenständigen

Sie haben den gleichen Jahrgang und am selben Tag Geburtstag: 18. Juli 1942: Ein Datum und drei Lebenswege. Adolf Ogi, Toni Vescoli und Verena Gloor waren die Protagonisten in der ersten Folge der sechsteiligen SRF-Sommerserie «Geboren am ...». Es ist eine gradlinige, erhellende Sendereihe, solid produziert B&B Endemol Shine.

Was macht uns zu dem, was wir sind? Da ist Dölf Ogi, der aus Bergler aus Kandersteg: «Ich bin in ganz einfachen aber goldenen Verhältnissen aufgewachsen.» Er litt darunter, dass er es nicht in die Sekundarschule geschafft hatte. Doch er kämpfte. Beim Bergsteigen lernte er schon früh, was Durchhaltewillen heisst. Und er hat es geschafft. Nach seiner Wahl in den Bundesrat vor über dreissig Jahren hatte der Berner Oberländer erklärt: «Ich stehe dazu, dass ich in Kandersteg die Primarschule besucht habe. Auch der Bundesrat sollte Spiegelbild dessen sein, was das Volk ist. Und das Volk ist nicht nur Akademiker.»

Sport hält Ogi bis heute für die beste Lebensschule: «Der Sport könnte mithelfen, eine bessere und friedlichere Welt aufzubauen.» Dölf Ogi erlebte auch Schicksalsschläge. Der grösste war der frühe Tod seines Sohnes, der mit 35 Jahren an Krebs gestorben ist. Lebensfazit des alt Bundesrates: «Ich habe das gemacht, an das ich glaube. Und ich glaube an das, was ich mache.»

Bodenständigkeit hat auch die Laufbahn des Sängers und Musikers Toni Vescoli geprägt: «Ich bin dankbar für mein Leben.» Ebenso die «Normalbürgerin» Verena Gloor, die als junge Frau nach Amerika ausgewandert war, dort einen Schweizer kennenlernte, mit diesem später in die Schweiz zurückkehrte und im Aargau eine Familie gründete.

Für Gehalt in der Sendung sorgen neben den drei Hauptpersonen alte Aufnahmen (u.a. aus der seinerzeitigen «Wochenschau»), die das damalige Weltgeschehen illustrieren. Einzige Schwäche der Serie: Der Zuschauer würde gerne noch etwas mehr über die Biografien erfahren. Hierzu müsste die Sendezeit von 45 auf 60 Minuten verlängert werden. Selten kommt es vor, dass sich die Ausdehnung eines TV-Formates etwas einbringen könnte.

 

 


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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