TV-Kritik

In der Höhle der zahmen Löwen

Jetzt haben auch Schweizer Start-ups und Erfinder mit «Die Höhle der Löwen Schweiz» eine Plattform, um sich der Öffentlichkeit zu präsentieren (persoenlich.com berichtete). Es geht in der Gründershow darum, Investoren (Löwen) von Geschäftsideen zu begeistern und damit um Risikokapital zu buhlen. In Deutschland wurde die von Sony Television entwickelte Sendung ein Quotenschlager (Vox). Allerdings haben die deutschen Löwen um den Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer wirklich gebrüllt. Sie waren viel bissiger, kritischer und streitlustiger als ihre fünf Schweizer «DHDL»-Kollegen bei TV24. Jürg Marquard behutsam zu einem Jungunternehmer: «Darf ich fragen …?»

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Ein Ostschweizer Hersteller von Hundespielzeug, der Inhaber einer Online-Schreinerei und zwei Basler Campingwagen-Vermieter konnten in der ersten Sendung vom Dienstagabend die Schmeichellöwen für einen Deal überzeugen. Leer ausgegangen sind zwei Zürcher, die massgekochtes, kalorienberechnetes und teures Essen mit einem Food-Abo anbieten. Ebenso ein Ostschweizer Produzent von selbstwärmenden Sohlen sowie ein Vermieter von Kompost-Toiletten. Dieser hat bei der Due-Diligence-Prüfung am schlechtesten abgeschnitten. In sieben Sendungen werden die Löwen in 42 Start-ups aus unterschiedlichen Branchen rund fünf Millionen Franken von ihrem eigenen Geld investieren.

Die besten Fragen an die Firmengründer stellten der erfahrene Verleger Jürg Marquard und der Nachhaltigkeitsunternehmer Tobias Reichmuth. Erpicht zeigte sich auch Onlinehändler Roland Brack. Diese erfolgreichen Firmenbosse sind mit allen Wassern gewaschen. Business-Apartment-Pionierin Anja Graf und Technologie-Unternehmerin Bettina Hein kamen in der ersten Sendung noch nicht auf Touren. Zulegen erwünscht. Andreas Schaffner, Chefredaktor CNN Money Switzerland, interviewt die Jungunternehmer vor und nach ihren Pitches und Investorengesprächen. Er tut dies mit angenehmer Zurückhaltung.

In der ersten Folge fehlte ein Software-Unternehmer. Bekommen solche ihre Chance in den weiteren Ausgaben? Das Format ist so angelegt, dass Pitches wie kleine, kurze Showauftritte wirken. In der Realität investiert kein Mensch in so kurzer Zeit. Solche Deals und Prozesse dauern oft mehrere Wochen. Immerhin: «DHDL» schafft Aufmerksamkeit für das Thema Enterpreneurship. In Deutschland hat sich gezeigt, dass manche vermeintlich zugesagte Deals in der Praxis nicht zustande kamen oder im Nachhinein platzten. Warten wir ab, wie es hierzulande ausgehen wird. Doch am Schluss ist «Die Höhle der Löwen» einfach Fernsehunterhaltung. Nicht mehr und nicht weniger.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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KOMMENTARE

Alexandra Tschopp
25.05.2019 15:58 Uhr
Höhle der Löwen Schweiz – zelebrieren wir nun das Mittelmass? Das in der Sendung präsentierte Bild der Schweiz entspricht in keiner Weise der Realität. Die Schweiz ist anerkanntermassen das Land der Innovation, nicht zuletzt dank der hervorragenden Reputation unserer Universitäten und technischen Hochschulen ETHZ und EFPL. Keiner der präsentierten Gründer würde eine Pitching – Runde überstehen bei einem der etablierten Schweizer Start-up Investorenclubs. Was zur Frage führt, wer bei VOX über die Auswahl der investitionswürdigen Unternehmen zu entscheiden hat. Bei keinem der kuratierten Deals sind die Voraussetzungen erfüllt, die normalerweise von Venture Capital Investoren gesucht werden: starke zugrunde liegende Technologie, hervorragendes Gründerteam, internationale Skalierbarkeit des Geschäftsmodells und ebenso wenig ist eine Vervielfachung des eingesetzten Kapitals zu erwarten.
Yvonne Jenny
23.05.2019 13:52 Uhr
In der Höhle der Büsis! Die Schweizer Unterhaltungsbranche hat einfach keinen Biss, weil niemand anecken möchte. Deshalb wird die Sendung - wenn überhaupt - nur wegen des Formats funktionieren. Die beiden Geschäftsfrauen waren offensichtlich nur für die Frauenquote anwesend. Kaum zu glauben, dass sie erfolgreich sind bei dieser null Präsenz. Der Interviewer könnte etwas an seinen Fragen arbeiten und weniger über seine Figurprobleme sprechen. Das war keine Fernsehunterhaltung, sondern ein verzweifelter Versuch ein erfolgreiches Format zu kopieren, um daran zu scheitern.
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