TV-Kritik

SRF seift Politiker ein

SRF 1 startete am Donnerstag die zweite Staffel der Politiker-Doku «He!matland: Vier zum Volk». Inhalt: Vier Nationalräte der Bundesratsparteien wagen ein kleines Abenteuer. Während drei Tagen tauchen sie in eine andere Welt ein und «arbeiten» in einem Umfeld, das ihrer politischen Gesinnung in mancher Hinsicht widerspricht. Eine nette Idee.

Die erste Folge zeigte Martin Candinas (CVP) als Hilfskraft in einem Transportunternehmen. Der Bündner hat sich als Politiker zum Ziel gesetzt, den öffentlichen Verkehr weiter auszubauen. Er traf auf bodenständige Lastwagenchauffeure, die nachvollziehbar für den Ausbau der Strassen plädieren. 60 Prozent aller Güter werden in der Schweiz auf der Strasse transportiert.

Für Martin Candinas war die Sendung prima Publicity. Hat er sich redlich verdient, schliesslich tut er ja auch viel die SRG. Er ist unter den Parlamentariern der härteste Kämpfer gegen die No-Billag-Initiative. Ein TV-Auftritt jagt den anderen. Letztmals trat er vor einer Woche in der «Arena» gegen die Initianten an. Für den ehrgeizigen Rätoromanen, der dereinst im Bundesrat landen möchte, ist «No Billag» ein «radikales und zerstörerisches Vorhaben». Er fightet dafür, dass «diesem unverantwortlichen Kahlschlag» eine Abfuhr erteilt wird.

Weitere «He!matland»-Teilnehmerin ist Doris Fiala (FDP). Sie verbringt für die Sendung drei Tage bei der Unia Zentralschweiz. Auch die Zürcher Nationalrätin ist Gegnerin von «No Billag»: «In Zeiten von ‹Fake News› und zunehmender Manipulation braucht es die SRG!»

Cédric Wermuth (SP) wird von SRF als Hilfssoldat ins Militär geschickt. Er wird sich dort nicht überarbeiten müssen. Der Sozi drei Tage in der Durchhalte- und Überlebensübung der Grenadier-RS in Isone (TI) – das wäre für die Zuschauer viel amüsanter gewesen. Wermuth über «No Billag»: «Die SRG ist für den nationalen Zusammenhalt essenziell.» Der Aargauer ist auch für eine staatliche finanzielle Unterstützung privater Medien. Nur wollen diese keine Bundeshilfe.

Vierte im «He!matland»-Bunde ist Nadja Pieren. Sie wird von SRF in der Flüchtlingshilfe eingesetzt. Die Bernerin (sitzt in der Parteileitung der SVP Schweiz) hat sich bei der No-Billag-Abstimmung im Parlament enthalten. Am 15. Januar wird die bernische SVP ihre Parole beschliessen. Mehrere prominente Politiker dieser Sektion sind gegen die Initiative. So die Nationalräte Werner Salzmann und Erich von Siebenthal sowie die Regierungsräte Pierre Alain Schnegg und Christoph Neuhaus.

Wenn du einen Feind nicht besiegen kannst, dann mache ihn dir zum Freund. Darum hätte ich SRF empfohlen, die Serie mit Nationalräten aus dem Lager der No-Billag-Befürworter zu produzieren: «He!matland: Vier gegen uns». Aus Spargründen inhouse. «Hallo SRF!». Vier Akteure in der Obhut von SRF-Direktor Ruedi Matter: Hans-Ulrich Bigler (FDP) drei Tage bei der «Rundschau», Gregor Rutz (SVP) beim «Kassensturz», Lukas Reimann (SVP) bei «10 vor 10» und Natalie Rickli (SVP) bei «Glanz & Gloria».


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

Kommentar wird gesendet...

Kommentare

Kommentarfunktion wurde geschlossen
Zum Seitenanfang20240424