TV-Kritik

Traumquoten mit Gerümpel

Es muss nicht «Adam sucht Eva» (RTL) sein: Eine biedere, ruhige und erst noch günstig produzierte Sendung wurde im deutschen Fernsehen zum Quotenhit. Die Rede ist von der täglichen Trödel-Show «Bares für Rares». Im Nachmittagsprogramm des ZDF erreicht das Dokutainment-Format meist über drei Millionen Zuschauer und einen Marktanteil von rund 25 Prozent. Mehr als eine Million kommen bei der abendlichen Wiederholung auf ZDF neo dazu. Unter dem treuen Publikum befinden sich auch erstaunlich viele junge Zuschauer. 

Ob Schnupfdöschen, Statuen, alte Vasen, Möbel, Uhren, Münzen oder Bilder: Zuschauer lassen in der Sendung von Experten Gegenstände begutachten und schätzen, die sie im Keller, auf dem Estrich oder in der Hinterlassenschaft von Eltern oder Grosseltern fanden. Wenn sie Glück haben, und es sich dabei um Trouvaillen statt Plunder handelt, können sie diese gleich vor Ort wechselnden Händlern verkaufen. Bares für Rares. Oftmals ist «nur» die nostalgische Geschichte hinter den vermeintlichen Schätzen kostbar. Ab und zu treten übrigens auch Schweizer Schatzsucher mit Kuriositäten und Krimskrams auf dem TV-Flohmarkt auf, der auch schon auf TV 25 lief.

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Über 700 Folgen der (preisgekrönten) Sendung wurden seit 2013 im ZDF ausgestrahlt. Ein Ende ist nicht abzusehen. Was ist das Rezept der Erfolgsshow, die vom gutmütigen früheren Wirt und Fernsehkoch Horst Lichter (Markenzeichen: Zwirbelbart) moderiert wird? Darüber haben sich schon viele Experten den Kopf zerbrochen. Der deutsche Medienpsychologe Joe Groebel erklärt den Trödel-Hype so: «Jeder Normalbürger träumt davon, im Keller oder auf dem Speicher einen unentdeckten Schatz zu finden, der ihn reich machen oder zumindest mit einem angenehmen Geldbetrag versehen könnte.»

Für die neue SRF-Direktorin könnte es sich lohnen, über eine Schweizer Fassung der preiswerten Trödel-Show nachzudenken. Eine solche wäre im Nachmittagsprogramm weitaus attraktiver und quotenbringender als Wiederholungen von auch fast schon antiken «Bergdoktor»- oder «Lüthi und Blanc»-Folgen.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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Kommentare

  • Peter Keller, 15.11.2018 11:50 Uhr
    In aller Hektik und aller Dynamik von jederzeit online zu sein, soziale Medien, jedes EMail innert Minuten beantwortet, Facebook, Whatsapp-Kommunikation (trifft man die sozialen Kontakte überhaupt mal noch live?) trifft diese Sendung einen wichtigen Punkt. Das Entschleunigende, das Persönliche, symapathisch und gemütlich. Vielleicht ist das ein wichtiger Teil des Erfolg.
  • Peter Herzog, 13.11.2018 13:35 Uhr
    Da schaue ich aber lieber Eisenbahnromantik...
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