Annette Häcki, «Do-Ad-Yourself» oder kurz Day, heisst Ihr neu gegründetes Unternehmen. Wie kommen Sie darauf, dass jeder oder jede Werbung selber in die Hand nehmen kann?
Gegenfrage: Was spricht dagegen? Wie erfolgreich es sein kann, wenn ein Unternehmen die Konzeption von Kommunikationslösungen selbst in die Hand nimmt, zeigt beispielsweise Galaxus. Sich als Unternehmen eng in den Kreationsprozess einzuklinken, hat viele Vorteile. So fliesst etwa das unternehmensinterne Know-how direkt mit ein, der Brand Fit wird sichergestellt – und nicht zuletzt macht es richtig viel Spass. Kurz gesagt: Day ermöglicht, von den Vorteilen einer Inhouse Agency zu profitieren, ohne dass man dafür selbst ein Team aufbauen, schulen und auslasten muss.
Sie wollen Unternehmen befähigen, Kommunikationslösungen selbst zu entwickeln. Sollen Agenturen überflüssig werden?
Das ist nicht unser Ziel und auch eher unwahrscheinlich. Das Modell Agentur wird bestimmt noch eine Weile Bestand haben. Day haben wir gegründet, da manche Kundinnen und Kunden im Kreationsprozess stärker involviert werden wollen, als dies im Geschäftsmodell von Agenturen vorgesehen ist. Für die Umsetzung wiederum arbeiten wir ähnlich wie Agenturen – unterstützen Unternehmen jedoch erneut darin, so viel wie möglich selbst zu machen.
«Stets geht es darum, Teams zu empowern, statt ihnen Dinge abzunehmen»
Wie grenzen Sie sich mit Ihren Dienstleistungen von einer Agentur ab?
Während wir ein ähnliches Leistungsspektrum abdecken wie eine Agentur, sind die Philosophie, die Herangehensweise und das Geschäftsmodell komplett anders. Wir befähigen Unternehmen, ihr eigenes kreatives Potenzial zu nutzen und begrenzen uns nicht auf Werbung, sondern bieten die gesamte Klaviatur von Marketing und Kommunikation an. Je nach Aufgabenstellung ziehen wir dabei entsprechende Fachexpertinnen und Fachexperten bei, auch das ist ein wichtiger Teil unserer Philosophie. Zudem bieten wir Sprints und Sparrings an, helfen also beispielsweise auch, bereits vorhandene Ideen zu spiegeln und zu finalisieren, sowie Kreativtrainings, KI-Trainings oder Auftrittstrainings. Stets geht es darum, Teams zu empowern, statt ihnen Dinge abzunehmen.
Schon heute arbeiten Agenturen enger mit den Kunden zusammen als früher. Warum reicht das Ihrer Erfahrung nach nicht?
Wir haben festgestellt, dass Agenturen und Auftraggebende unter Collaboration etwas anderes verstehen. Kein Wunder. Das Geschäftsmodell von Agenturen ist darauf ausgelegt, den Unternehmen Arbeit abzunehmen und parallel an vielen verschiedenen Aufträgen zu arbeiten. Und nicht, die Unternehmen zu befähigen, so viel wie möglich selbst zu machen. Zudem haben nicht alle Kreative ein Interesse daran, eng mit Kundinnen und Kunden zusammenzuarbeiten. Dies zu müssen, ohne es zu wollen, führt selten zu guten Resultaten. Konsequent gelebt und umgesetzt wird diese Form der Zusammenarbeit also noch nicht. Day ändert das.
Wie weckt man in einem Marketingmenschen das Werbe-Gen? Wie gehen Sie konkret vor?
Bei Day steht am Anfang des Kreationsprozesses eine Phase, die das eigene kreative Potenzial freisetzt. Zentral ist dabei, mentale Blockaden zu lösen. Es geht um Mut, Tempo, Spielfreude, Fokus. Der detailliert geplante Prozess ersetzt dabei die konzeptionelle Erfahrung der Teilnehmenden. Aber wirklich wecken müssen wir das Werbe-Gen nicht. Unserer Erfahrung nach ist es bei der grossen Mehrheit der Marketeers schon hellwach.
Sie haben vor einigen Monaten Ihren Posten als Managing Creative Director bei JvM Limmat gekündigt. Wie lange tragen Sie diese Geschäftsidee bereits mit sich herum?
Das erste Mal habe ich vor fünf Jahren darüber nachgedacht. Doch damals war es eher eine Hypothese als eine Geschäftsidee. Wirklich gereift ist die Idee im Austausch mit meinem Geschäftspartner Marcel Walzl. Gemeinsam haben wir sie konkretisiert, geschärft und schliesslich Day gegründet. Wichtig war auch der Austausch mit unserem Netzwerk, mit befreundeten Unternehmerinnen, Unternehmern und Marketeers. Sie alle haben mit ihren Inputs dazu beigetragen, unsere Positionierung und unser Angebot zu schärfen. Darunter beispielsweise die INNOArchitects in Bern, die ein ähnliches Vorgehen im Bereich Innovation und Transformation anbieten. Von ihnen haben wir uns so einiges abgeschaut.
«Wir arbeiten uns einmal quer durch Zürich, jeden Tag an einem anderen Ort.»
Warum war gerade jetzt der Moment, die Idee wirklich in die Tat umzusetzen?
Wir haben in den vergangenen Jahren zunehmend das Bedürfnis festgestellt, partizipativ zu arbeiten. Das gilt nicht nur für die Marketing- und Kommunikationsbranche, das ist ein gesellschaftlicher Trend, den wir sehr begrüssen. Zudem spielt uns die rasante Entwicklung der KI-Technologie in die Karten. Denn auch die KI empowert Menschen. Sie ermöglicht es, das eigene Potenzial zu vergrössern, und wirkt wie ein Katalysator. Nicht zuletzt sind Marcel und ich persönlich an einen Punkt gekommen, wo wir selbst unternehmerisch tätig sein wollten. Und plötzlich war er da. Der Moment, wo wir beschlossen haben, das jetzt einfach zu machen.
Sie kennen Marcel Walzl von Jung von Matt Limmat. Wie arbeiten Sie beide nun als Team zusammen?
Wir sind Partner auf Augenhöhe und haben Day gemeinsam aufgebaut. Jede wichtige Entscheidung fällen wir zu zweit. Doch natürlich haben wir unterschiedliche Profile. So bin ich beispielsweise für die Planung und Orchestrierung der Strategie und des Kreationsprozesses zuständig, während Marcel in Sachen Organisation, Timing, Budget und Beratung im Lead ist.
Gibt es ein Day-Büro oder arbeiten Sie beide vom Homeoffice aus?
Aktuell arbeiten wir uns einmal quer durch Zürich, jeden Tag an einem anderen Ort. Das hält uns wach und ausserhalb der Komfortzone. Zum anderen arbeiten wir mit unseren Kundinnen und Kunden an Orten, die für das jeweilige Projekt und die Anzahl Teilnehmenden ideal geeignet sind. Entsprechend grosse Räumlichkeiten fix zu mieten, würde uns dazu zwingen, sofort stark zu wachsen. Das wollen wir nicht.
Welche Kundinnen oder Kunden sind bereits an Bord?
Darüber dürfen wir aktuell noch nichts verraten. Nur so viel: Das Interesse ist gross.
Sie sagten es zu Beginn. Galaxus wird Ihre Dienste aktuell wohl nicht beanspruchen. Was für Unternehmen sehen Sie als potenzielle Kunden an?
Ausschlaggebend sind weder die Branche noch die Grösse oder die konzeptionelle Erfahrung, sondern das Mindset. Wir richten uns an Teams, die sich aktiv beteiligen wollen und Lust haben auf den gemeinsamen, intensiven Prozess. Wir sind überzeugt davon, dass Day genau die Menschen und Unternehmen anspricht, für die unsere Herangehensweise geeignet ist. Und wer sich diesbezüglich noch nicht ganz sicher ist, kann Day in einem Sprint, Sparring oder Training erst einmal kennenlernen. Das geht sogar projektunabhängig.
«Wichtig ist uns vor allem, nicht zu schnell zu wachsen.»
Sie haben sich in den letzten Monaten der Unternehmensgründung gewidmet. Was haben Sie in diesem Prozess Neues über die Kommunikationsbranche gelernt?
Wir haben gelernt, respektive einmal mehr festgestellt, dass es in der Kommunikationsbranche sehr viele offene, neugierige und innovative Menschen gibt und wie sinnvoll es ist, sich gegenseitig auszutauschen und zu unterstützen. Wir freuen uns sehr, diesen Weg mit Day weiterzugehen.
Schauen wir zum Schluss etwas nach vorn: Wo steht Day in einigen Monaten oder Jahren? Welche Ziele haben Sie Day gemäss Geschäftsplan gesetzt?
Wichtig ist uns vor allem, nicht zu schnell zu wachsen. Wir wollen unsere Vision konsequent verfolgen und uns persönlich engagieren. Mit wachsender Grösse und Komplexität eines Unternehmens lassen sich gewisse Folgen kaum verhindern, etwa eine gewisse Verzettelung oder eine sehr aufwändige interne Kommunikation. Deshalb arbeiten wir eng mit unserem Netzwerk zusammen. Dies erlaubt uns, renommierte Expertinnen und Experten beizuziehen und trotzdem schnell, agil und fokussiert zu bleiben.
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01.11.2023 15:00 Uhr