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17 Uhr ist keine PR-Strategie

Alles begann mit einem spontanen Appell auf LinkedIn an die Kommunikationsbranche: Warum feilen PR-Verantwortliche den ganzen Tag an der perfekten Medienmitteilung, um sie dann kurz vor 17 Uhr zu versenden? In den Redaktionen sorgt dies für unnötigen Stress. Überspitzt gesagt: Redaktionskonferenzen werden umgeworfen, Newsletter neu geplant, Journalisten von anderen Themen abgezogen. Der Grundtenor meines Posts war klar: Die gleiche Mitteilung hätte am nächsten Morgen dieselbe Relevanz – trifft dann aber auf ausgeruhte, kaffeegetankte Journalisten statt auf genervte Spätschichtkämpfer.

Der LinkedIn-Post traf offensichtlich einen Nerv und löste zahlreiche Reaktionen aus – auch aus benachbarten Ländern. In der Onlinedebatte kristallisierten sich verschiedene Perspektiven heraus, die das Spannungsfeld zwischen Medienschaffenden und PR-Fachleuten verdeutlichen.

Aus journalistischer Sicht ist das Problem glasklar: Neben dem ungünstigen Timing fehlt es oft an erreichbaren Kontaktpersonen – besonders im Lokaljournalismus ein Ärgernis. Nach dem Versand einer späten Mitteilung sind Kommunikationsverantwortliche oft wie vom Erdboden verschluckt. Rückfragen? Fehlanzeige! Die PR-Verantwortlichen haben längst Feierabend gemacht, während in den Redaktionen das Chaos regiert.

Ein Journalist spitzte es zu: Relevante Meldungen sollten generell vor 11 Uhr kommen – alles danach sei für die Tonne. Obwohl drastisch formuliert, liegt darin ein Körnchen Wahrheit: Morgendliche Mitteilungen passen schlicht besser in den redaktionellen Workflow.

Überraschenderweise gestehen viele PR-Fachleute ihre Timing-Sünden freimütig ein. Mehrere PR-Experten bezeichnen es als absolutes No-Go, Pressemitteilungen kurz vor Feierabend zu verschicken. Eine Pressesprecherin, die früher als Redaktorin arbeitete, bestätigt: Wer seine Meldungen am späten Nachmittag verschickt, hat die Funktionsweise von Redaktionen nicht verstanden.

Ja, es gibt Ausnahmen. Börsenmitteilungen oder Krisenfälle folgen eigenen Regeln. Doch solche legitimen Fälle sind selten – vor allem bei einem Fachmedium wie dem unsrigen. Suspekt wird es, wenn unangenehme Pflichtmitteilungen strategisch freitags um 17.30 Uhr verschickt werden, damit sie im Wochenendrauschen untergehen. Diese Verschleierungstaktik ist in der Branche ein offenes Geheimnis.

Die Diskussion offenbart auch, dass die Zusammenarbeit zwischen PR und Journalismus keine Einbahnstrasse ist. PR-Verantwortliche werden ihrerseits mit umfangreichen Fragenkatalogen bombardiert, die sie in Lichtgeschwindigkeit beantworten sollen. Eine Kommunikationsexpertin beschreibt das Verhältnis treffend als «Hassliebe»: Man ist aufeinander angewiesen, stichelt aber genüsslich in die jeweils andere Richtung.

Ein ehemaliger Journalist, der heute in der PR tätig ist, liefert eine simple Erklärung: In der Kommunikationsbranche herrscht schlicht ein anderer Rhythmus. Themen werden morgens besprochen, tagsüber ausgearbeitet und dann – ohne böse Absicht – am Abend verschickt. Dass der Journalismus andersherum tickt, wird dabei oft vergessen.

Eine Kommunikationsexpertin fasst zusammen: «Was du nicht willst, dass man dir tut, das füg auch keinem andern zu.»



Christian Beck ist Redaktionsleiter von persoenlich.com.

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