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Alles etwas anders

Roger Schawinski

Blicken wir kurz auf die jüngsten Erschütterungen in der Schweizer Medienlandschaft, um das Ganze etwas besser einordnen zu können: Da gibt es etwa den Grossdeal zwischen der NZZ und Peter Wanner, der den Aargauer als klaren Sieger hervorbrachte – dachte man. So sicherte sich Peter Wanner nicht nur den Posten des VR-Präsidenten, sondern gleichzeitig konnte er auch noch den CEO stellen. Wie aber war das möglich? Ist es ihm gelungen, den gewieften Etienne Jornod über den Tisch zu ziehen, weil nun er ganz klar im «driver’s seat» ist?

Die Sache ist etwas komplizierter. Während der «NZZ»-Chef als Manager mit klarem Fokus auf die wirtschaftlichen Kerndaten am Tisch sass, brachte Peter Wanner viel schweres Gepäck in die Verhandlungen mit. Da sind einmal seine Vorfahren aus mehreren Generationen, die ihm über die Schulter blicken und denen er sich emotional verpflichtet fühlt, um das ihm übertragene Erbe sorgsam zuverwalten.

Aus dieser dynastischen Grundhaltung heraus ist er zusätzlich verpflichtet, seinen wohlgeratenen Kindern ein eigenes Unternehmen weiterzureichen. Das also zwang ihn, sich sowohl gegen aussen als auch gegen innen die Patron-Position zu sichern. Doch dieses Privileg war nicht gratis zu haben. Dafür hatte Wanner seinem neuen Partner einen gewichtigen Gegenwert zu liefern. Und dieser konnte nur in etwas bestehen: Peter Wanner musste das gesamte wirtschaftliche Risiko für das Joint Venture auf seine eigenen Schultern laden.

Aufgrund einer Reihe von Benchmarks hat er nun genau definierte Zahlen vorzulegen, während die «NZZ» aus dem Schneider ist. Sollte das neue, komplexe Gebilde mit dem Zusammenpappen von völlig unterschiedlichen Kulturen die definierten Ziele nicht erreichen, so kann die «NZZ» ihren Anteil zusätzlich an Peter Wanner verkaufen, was dessen Risiko noch weiter erhöht. Und weil dies alles so ist, wirkte bei der Verkündung des Deals der angebliche Sieger Peter Wanner bedrückt, während der nominelle Loser, NZZ-Chef Jornod, recht vergnügt in die Runde blickte.

Peter Wanner hatte aber noch ein Ass im Ärmel: Er wollte unbedingt die von Blocher öffentlich auf den Markt geworfene «Basler Zeitung» kaufen. Mit diesem Coup hätte er nicht nur sein kostspieliges Abenteuer mit der «Basellandschaftlichen Zeitung» zu einem guten Ende bringen können, weil er sich so das Monopol in der zweitgrössten Stadt der Deutschschweiz gesichert und damit massiv Kosten gespart hätte. Doch dann schnappte Pietro Supino zu, und damit war diese einmalige Chance vertan. Und deshalb sieht die Presselandschaft so aus: Tamedia beherrscht die drei wichtigsten Städte Zürich, Bern und Basel, während die AZ-NZZ-Gruppe allein die sekundären Standorte St. Gallen, Luzern und Aarau bespielen kann, wo die Musik viel leiser spielt.

Und damit wären wir bei Christoph Blocher, der nach langem Lügen schliesslich zugeben musste, dass er sich die «Basler Zeitung» geschnappt hatte. Damit wolle er vor allem gegen die Monopolisierung der Schweizer Medienlandschaft antreten, erklärte er. Dafür engagierten er und ihm zugeordnete Kreise sich auch in der Aktion Medienfreiheit, um mit diesem Anliegen politisch zu punkten. Doch dann ging Blocher die Luft aus. Der Mehrfach-Milliardär machte noch schnell Kasse, obwohl seine «Basler Zeitung» nach eigenen Angaben schöne Gewinne abwarf.

Da die Beurteilung der künftigen Aussichten jedoch kaum Positives verhiessen, verhökerte man zu einem möglichst hohen Preis die Basler Perle. Und damit wurden zwei Dinge bewiesen: Erstens ist Geld für Christoph Blocher weiterhin zentral, obwohl er sich ohne gravierende persönliche Einschränkungen auch gewisse Verluste für seine ideellen Anliegen leisten könnte. Aber offensichtlich sind sein verlegerisches Engagement und sein politisches Credo für Meinungsvielfalt viel weniger wichtig, als es ein attraktiver Exit ist.

Und wenn sein Kampfruf für «Medienvielfalt» mehr gewesen wäre als hohles Gerede, hätte er an Wanner und nicht an das absolut dominierende Schweizer Verlagshaus verkauft. Zweitens scheint der Elan des Ausnahmetalents der Schweizer Politik und Wirtschaft rapide abzunehmen. Dass er sich zur Gesichtswahrung journalistisch unbedeutende Gratisblätter gesichert hat, mit denen sich offenbar relativ risikolos weiter Geld verdienen lässt, unterstreicht die These, dass Blochers heutige Strategie seinen eigenen früheren Ansprüchen bei Weitem nicht mehr entspricht.

Auch in den nächsten Monaten wird in der Medienlandschaft keine Ruhe einkehren. Das heisst, dass an dieser Stelle wohl bald eine Fortsetzung anstehen wird.


Der Autor vertritt seine eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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Kommentare

  • Peter Beusch, 24.06.2018 14:30 Uhr
    Es war ein grosses Geschrei als Bocher die Baz kaufte von geballter Kraft war die Rede, nun ja jetzt ist die Baz dort wo geballte Kraft herscht, Blocher hat jetzt halt das gemacht was all die selbsternannten Kaffeesatzleser von ihm wollten
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