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Anleitung: So werden Sie beim nächsten Mal Chef

Roger Schawinski

Wie schafft man es in der Schweizer Medienlandschaft aufs höchste Treppchen? Ein Blick auf die jüngsten Ernennungen zeigt Erstaunliches. Erstens sollte man nicht als Kandidat gehandelt werden. Das ist tödlich. Fragen Sie nur Hanspeter Rohner. Sowohl beim obersten Job bei der Sonntags-Zeitung als auch beim Generaldirektoren-Sessel der SRG fielen alle in der Presse genannten Kandidaten durch. Gewählt wurden zur allgemeinen Verblüffung Persönlichkeiten, die nie auch nur andeutungsweise ins Spiel gebracht worden waren. Zufall oder Blindheit der Beobachter? Ich tippe auf Letzteres. Die sogenannten Fachleute und Insider gingen bloss die kurze Liste der üblichen Verdächtigen durch. Oder sie konzentrierten sich stur auf das Anforderungsprofil, das beim SRG-Topjob sogar publiziert worden war. Doch damit verhedderten sie sich im Unterholz. Als äusserst wichtig erwiesen sich eben auch Kriterien, die nur auf den geheimen Agenden der Entscheider standen. Und dies waren vor allem persönliche Präferenzen und Verträglichkeiten mit ihnen selbst – den Personen, die die Knöpfe drückten. Zweitens sollte man in der Morgenröte des multimedialen Zeitalters dem Typus des Kommunikators entsprechen, der sich unbedingt auch in elektronischen Medien einen Namen gemacht hat. Damit liefert man einen Mehrwert, der je länger, desto unerlässlicher wird. Sowohl Martin Spieler als auch Roger de Weck hatten in den letzten Jahren regelmässige TVAuftritte, mit denen sie sich Bekanntheitswerte sichern konnten. Diese bringen sie nun ein, um in ihrem neuen Job ein Gesicht zu zeigen, mit dem sich punkten lässt. Bewerber ohne diese Werte und ohne die Fähigkeit, locker und gekonnt zu kommunizieren, hatten nicht den Hauch einer Chance. Wer kann es den SRGGranden verübeln, dass sie nach den Erfahrungen mit Armin Walpen ein Aushängeschild ersehnten, welches das Prestige der Institution erhöhen wird, und nicht mehr eine Person, die durch ihre Übellaunigkeit und Arroganz unweigerlich eine schlechte Presse provozieren muss? Drittens sollte man das richtige Alter haben. Bei einem SRG-Generaldirektor, der praktisch unkündbar ist und sich, anders als etwa ein Bundesrat, nicht alle vier Jahre zur Wiederwahl stellen muss, wünscht man sich keinen potenziellen Sesselhocker mehr wie Armin Walpen. Der war mehr als ein ganzes Jahrzehnt im Amt und auch dann nicht absetzbar, als er seinen Kredit längst verzockt hatte. Mit 56 Jahren passt Roger de Weck ideal in den Zeitplan. Bis zur Pensionierung werden es gute fünf Jahre sein – also eine optimale Amtszeit. Bei der Sonntags-Zeitung hingegen erhofft man sich durch den jugendlich wirkenden Martin Spieler einen Imagezugewinn, der die Zeitung in neue Höhen führen soll. Und in der Privatwirtschaft kann man sich ja – anders als bei der quasi staatlichen SRG – jederzeit eines Spitzenmannes entledigen, falls er nicht mehr ins Konzept passen sollte. Niemand fiebert hier dem Pensionierungsalter entgegen. Also alles auch hier paletti. Diese Regeln gelten zurzeit in der gesamten Schweizer Medienlandschaft – das heisst mit Ausnahme von Ringier. Dort ist anderes wichtiger. Dort zählt in erster Linie die Nationalität, wie offiziell immer wieder bestätigt wird. Bei Ringier hat auch der idealste Schweizer Kandidat, der alle oben aufgeführten Bedingungen erfüllt, nur im Ausnahmefall eine Chance. Ihm fehlt das allerwichtigste Kriterium, das er auch mit grösstem Engagement nicht hinwürgen kann: Er ist kein  Deutscher.
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