BLOG

Apple: Eine Marke auf dem Weg zur Gewöhnlichkeit

Klaus-Dieter Koch

Bis vor kurzem war das iPhone das Nonplusultra, auch für mich. Es war ein Luxusprodukt im besten Sinn des Wortes und bot – abgesehen vom Status – einen weltmeisterlichen Produktenutzen. Kein Wunder, dass der Erfolg des iPhones auch in der urbanen, innovationsaffinen Schweiz so durchschlagend war. Seit diesem Herbst ist alles anders – zumindest für mich. Mein neues iPhone 5S liegt seit drei Wochen originalverpackt in der Schublade meines Bürotisches. Dies war bei früheren Versionen nie der Fall. Was ist geschehen? Es begann mit der Präsentation der neuesten iPhone-Generation im September. Die grösste Überraschung des einstmals quasi-religiösen Ereignisses bestand darin, dass es keine einzige Überraschung gab. Ein schnellerer Prozessor? Ist ja wohl selbstverständlich. Eine leicht verbesserte Kamera? So what. Ein Fingerabdruck-Sensor? Von mir aus. Apple-Chef Cook hatte Mühe, die Modelle 5S und 5C überhaupt als Neuheit an den Mann zu bringen. Keine einzige wirkliche Innovation, wie sie die neuen Überflieger aus Südkorea präsentierten. Es war kaum zu glauben: Das neue iPhone ist da und es ist nichts Neues dabei, ausser den bunten Covers der „Günstigversion“ 5C. Diese Woche übrigens genau dasselbe bei den neuen iPads. Ein bisschen Kosmetik, fertig. Gewohnheitsmässig kaufte ich das neue iPhone auch dieses Jahr. Aber irgendwie fehlt mir der Antrieb, mich sogleich damit zu beschäftigen. Die Differenz zum Vorgängermodell ist minimal geworden. Dies scheint mir alarmierend und verdient eine kurze Betrachtung. Oberflächlich gesehen muss man sich ja in Kalifornien noch keine Sorgen machen – Rekordstart mit neun Millionen verkaufter iPhones am ersten Wochenende. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Apple drauf und dran ist, träge zu werden. Natürlich kann die wertvollste Marke der Welt noch eine Weile vom Nimbus vergangener Tage zehren. Doch der Verzicht auf mutige, bisweilen verrückte Neuerungen, auf absolute Spitzenleistung im Sinne des genialen Übervaters Jobs, wird sich rächen. Wenn Apple seine Ecken und Kanten verliert und nur noch auf angestammte Stärken – wie das Design – vertraut, dann beginnt sich die Todesspirale leise zu drehen. Durchschnitt und Gewöhnlichkeit sind es, die eine Luxusmarke zugrunde richten. Apple muss sich neu erfinden, muss wieder kapieren statt kopieren. Und ja, Samsung hat es einfacher. Es ist anstrengender, an der Spitze zu bleiben als sie zu erobern. Fragen wirft auch das „Günstigmodell“ 5C auf. Die bisherige Konzentration auf das Wesentliche war eine grosse Stärke. Nun versucht Apple, es allen recht zu machen. Was nicht gelingen kann, denn für ein Massenprodukt ist das 5C zu teuer. Wie hört eine Marke auf, sexy zu sein? Genau so, indem sie ihr klares Profil aufgibt, indem sie anderen folgt, statt zu verführen, indem sie versucht zu bewahren, statt zu erobern. Aus markenstrategischer Sicht sollte sich Apple dringend mit diesen Fragen beschäftigen: 1. Wofür steht Apple? Und wofür nicht? 2. Was können wir beweisbar besser als alle anderen? 3. Stiften unsere Innovationen einen nachvollziehbaren Mehrwert? 4. Ist unser Geschäftsmodell noch zukunftsfähig? 5. Woher kommen die Mitbewerber, die wir noch nicht kennen? Heute ist Verkaufsstart in der Schweiz – wie lange hält Ihre Liebe noch? Klaus Koch ist Managing Partner der Managementberatungsfirma Brand Trust und einer der führenden Markenexperten im deutschsprachigen Raum. Er berät Unternehmen, ist ein gefragter Referent und hat mehrere Sachbücher zum Thema Markenstrategie verfasst, zuletzt "No.1 Brands – Erfolgsgeheimnisse starker Marken".
Kommentar wird gesendet...

Kommentare

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Die neuesten Blogs

13.04.2024 - Hansmartin Schmid

Die Schweizer Medien und die Kriege

Die Schweizer Auslandberichterstattung ist in deutsche Hände geglitten.

Zum Seitenanfang20240423