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Bleiben wir bei den Fakten

Stefan Wabel

Am vergangenen Freitag wurde eine neue Studie zum Wert der journalistischen Inhalte für die Techplattformen veröffentlicht (persoenlich.com berichtete). Die Resonanz darauf war gross, auch international fand die Studie von FehrAdvice, welche im Auftrag des Verlegerverbandes Schweizer Medien durchgeführt wurde, viel Beachtung.

Nach der Veröffentlichung der Studie meldeten sich die bekannten Kritiker des Leistungsschutzrechts zu Wort mit den immergleichen, polemischen Argumenten, welche sie seit Jahren wiederholen: Google liefert Traffic, also müssten eigentlich die Verlage bezahlen; die Medienunternehmen könnten ihre Inhalte bei Google ja einfach auslisten; das Leistungsschutzrecht sei eine «Link-Steuer» und zerstöre das freie Internet.

Alles Humbug – oder zumindest ziemlich überholte Ansichten. Denn, was die ewigen Kritiker des Leistungsschutz verkennen, ist die Tatsache, dass sich die Situation seit den ersten Diskussionen über das Leistungsschutzrecht vor rund zehn Jahren grundlegend verändert hat. Dafür muss man nur die Fakten sprechen lassen:

Fakt 1: Es ist richtig, dass Google den Medien auch Traffic bringt. Aber, wie zuvor schon andere internationale Studien, kommt auch die neue repräsentative Schweizer Studie zur klaren Erkenntnis, dass vor allem und in überragendem Mass Google von den Medien profitiert. Konkret: mit den Inhalten der Schweizer Medien wird im Google-Ökosystem sehr viel Geld verdient, die Medienunternehmen und JournalistInnen haben das Nachsehen. Die Studienautoren rund um den Ökonomen Ernst Fehr von der Universität Zürich sprechen in diesem Zusammenhang unmissverständlich von einem Marktversagen, welches einer Regulierung in Form eines Leistungsschutzrechtes bedarf, um hier wieder ein Gleichgewicht zwischen Techplattformen und Medienunternehmen herzustellen.

Fakt 2: Diese Beurteilung eines Marktversagens aufgrund der dominanten, monopolähnlichen Markstellung der Techplattformen ist globaler Konsens. Ein Leistungsschutzrecht resp. ähnliche Regulierungen, welche die Techplattformen zu einer Vergütung der Medienunternehmen verpflichten, ist in 20 Ländern der Europäischen Union, in Kanada und in Australien mittlerweile Realität. Auch in den USA und in UK wird eine entsprechende Regulierung diskutiert. Dabei geht es um substanzielle Beträge, welche den Medienunternehmen und den Medienschaffenden zustehen: Die Studie von FehrAdvice berechnet einen fairen Ausgleich für die Schweizer Medien auf rund 150 Millionen Franken.

Fakt 3: Das in der Schweiz vorgesehene Leistungsschutzrecht ist keine «Link-Steuer». Auch mit einem Leistungsschutzrecht kann weiterhin kostenlos verlinkt werden. Das freie Internet ist in keiner Art und Weise beeinträchtigt, wie die Erfahrungen aus den vielen Ländern zeigen, in welchen das Leistungsschutzrecht bereits umgesetzt ist.

Dazu kommt, dass mit ChatGPT und neuen Anwendungen der Künstlichen Intelligenz die Verwendung der journalistischen Inhalte eine ganz neue Dimension erhält. Die Quelle für die faszinierende Technologie ist auch hier in vielen Fällen die journalistische Arbeit, wie sie die Schweizer Medien bereitstellen, ohne dass sie für die Nutzung vergütet werden.

Die Fakten sind klar: Das Leistungsschutzrecht bringt Fairness. Es ist die überfällige Anpassung des Urheberrechts an die digitale Realität, um die journalistischen Inhalte besser zu schützen. Denn um das geht es beim Leistungsschutzrecht: Es soll sicherstellen, dass globale Techplattformen und Künstliche Intelligenz auf keinen Fall die Leistungen der Medienunternehmen und Redaktionen ausbeuten. Das würde das Ende des heutigen Journalismus bedeuten. Es geht also um nichts anderes als um die Sicherstellung der journalistischen Grundversorgung in der Schweiz.



Stefan Wabel ist Geschäftsführer beim Verlegerverband Schweizer Medien.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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