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Beste Erholung mit britischen Medien

Es sei drum: Wer (wie ich) die letzten Wochen im Ausland war, wundert sich (nicht mehr): Die gesinnungs-politische Einheitssülze, die deutsche «Qualitäts-Medien» verbreiten, ist nur mehr eins: «lächerlich». Dabei lachhaft durchschaubar. Dass ich mich wundere: Wer kauft eigentlich noch «Spiegel», «Frankfurter Allgemeine», «Welt» & Co? Wer alimentiert noch «Bild»?

Deren (im neusten Domo gefeierter) Macher Kai Diekmann es schafft, die einstige Auflage von 5,2 Millionen Exemplare pro Tag auf 1,75 Millionen zu marginalisieren. Mit dem Trend zu 1,5 Millionen? Ist dafür nur die digitale Revolution verantwortlich? Und mal ehrlich: Kreml-Chef Putin kann ja nicht an allem schuld sein! Ob Türkei, EU-Krise, Nato-Versagen, ja selbst die russischen Hooligans soll er persönlich nach Frankreich geschickt haben. Habt ihr alle nach «Wir sind Papst» a bisserl den Verstand verloren? Na, mir kann es egal sein: Ich habe (auch älter werden, hat Vorteile) zu den Wurzeln des Journalismus zurückgefunden – zu den britischen Zeitungen, Zeitschriften, zur BBC.

Medien, die ich als Austauschstudent in Ascot, Brighton und Southampton erst entzifferte, bis heute grossartig recherchiert, frech rapportiert finde. Jetzt also wieder! Ferien von der germanischen Einheitssülze, dem neudeutschen Gesinnungs-Journalismus, Erholung bei den Briten. Kurz: Köstlicher Humor mit fein gewürztem Detailwissen gegen deutsche Journalisten-Schulen-Piefkes. Die (in Deutschland) fast alle zu irgendwelchen, dubiosen Zirkeln, Organisationen und Insider-Clubs gehören: ZDF-Chefredaktor Peter Frey sass wie Stefan Kornelius, Ressortleiter Aussenpolitik bei der «Süddeutschen», im Präsidium der Deutschen Atlantischen Gesellschaft. Kein Wunder, dass die Biographie von Angela Merkel von Kornelius zu etwas zwischen Hofberichterstattung und tiefster Verehrung geriet.

«Bild»-Gesamtherausgeber Kai Diekmann ist im Vorstand der Atlantik-Brücke. Springer-Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner sass im Kuratorium dieser seltsamen «Brücke», wie auch ZDF-Moderator Claus Kleber; Josef Joffe von der «Zeit» ist gar Multi-Funktionär, bei der Trilateralen Kommission, der Atlantic Brücke, beim American Institute for Contemprary German Studies, dem American Council on Germany und der American Academy in Berlin. Wie Diener Josef so noch Zeit für seine «Zeit»-Herren findet, ist ein Rätsel.

Wie schön, mal wieder Andrew «Brillo» Neil in der BBC zu sehen: Der Ex-Chef der «Sunday Times» als Interviewer mit grauenhaft gefärbtem Rot-Haar, aber brillanten Analysen. Oder «Times»-Kolumnistin Melanie Phillips die den Begriff der – frei übersetzt – deutschen «Tugendprahlerei» ins Spiel brachte. Oder Kolumnist Tim Montgomery, der sich über die «deutsche Demonkratie» wundert, mit dem Berlin Verträge wie die von Dublin oder Schengen ausser Kraft setzte.

Es waren und sind britische Journalisten, die über die Flüchtlkingskrise besser, genauer informierten: Die BBC zeigte Auseinandersetzungen zwischen Grenzschützern und Flüchtlingen, wie junge Flüchtlinge Tore eintraten und Steine warfen. In der ARD-Tagesschau wurden stattdessen weinende Frauen und Kinder gezeigt. Und so wundere ich mich (leider) nicht, dass der Chefkommentator der SZ, Heribert Prantl aus Nittenau in der Oberpfalz, zum bigotten Merkelianer mutiert.

Aber eben: Prantl, in seiner Redaktion umstritten, weil er beschrieb, wie es in der Küche eines Verfassungsrichters zugeht, ohne selber dort gewesen zu sein, muss sich bei der Augstein-Spiegel-Familie noch hochbuckeln. Warum? Prantl, liiert mit der «Spiegel»-Erbin Franziska Augstein, möchte gerne Chefredaktor des «Spiegel» werden. Sagt man. Genau: Fragen darf man noch? Oder? Schon verboten? Sorry!

Jetzt werde ich britisch. Und bleibe dabei. Was sich auf der Insel Reporter, Redakteure, Kolumnisten an unbequemen Fakten, scharfem Sprachwitz plus wunderbaren Denk-Kaskaden erlauben (dürfen) – God Save The Queen! Wenn schon, denn schon: Da stellen die beiden «Daily Mail»-Autoren John Steven und Jason Groves kein Fragezeichen hinter ihrer Philippika. Ein Ausrufezeichen genügt! Zum Titel «Who are you to lecture us, Mrs Merkel!» In anderen britischen Gazetten erinnern Historiker, Professoren und Journalisten daran: Wie war das doch gleich 1953? Als auf 145 Seiten die Alliierten dem damals geschlagenen Deutschland die Schulden erliessen? Und wie ist das heute? Mit Griechenland? Und dem neuen reichen Grossdeutschland?

Irgendwie sind die Briten eine Wohltat. Brexit her oder hin. Es reicht, eine Woche lang, keine deutsche Zeitung, kein deutsches Magazin zu lesen, keine ARD, kein ZDF zu gucken. Plötzlich grinsen Sie. Im Liegestuhl. Lachen. Entdecken eine ungewohnte Meinungs-Vielfalt. Von der Insel. Vor dem immer noch frischen Mittelmeer im Süden. Und fassen sich an die erkühlte Stirn: So denkt und schreibt Europa – nicht Deutschland. Und das ist good so.

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