Als Ende 1999 «20 Minuten» startete, brach eine neue Epoche an. Das Internet steckte noch in den Kinderschuhen, Fernsehen war das Medium der Zukunft. Die Medienwelt boomte, nur die obligaten Mediennörgler befürchteten wegen 20 Minuten den Untergang des seriösen Bezahljournalismus, während die etablierten Verlagshäuser ihre eigenen Werbeerlöse schwinden sahen. Beides war rückblickend wohl richtig. Doch 20 Minuten brachte – und das ist das Positive – zumindest eine junge Leserschaft zum Zeitungslesen.
Es ist dem norwegischen Verlagshaus Schibsted, dem verstorbenen Investor Ernst Müller-Möhl, Verlagsleiter Rolf Bollmann und Projektleiter Sacha Wigdorovits zu verdanken, dass 20 Minuten nach anfänglichen Startschwierigkeiten und einer überraschend wilden Anfangszeit auch reüssierte. So verstarb der erste Chefredaktor Urs Weber nach einem Jahr, während sich die grossen Auftraggeber anfänglich zierten, in 20 Minuten zu werben. Erst Swisscom als erster grosser Werbekunde brachte die kommerzielle Wende und brachte die Pendlerzeitung auf die Siegerstrasse. Was keineswegs selbstverständlich war: Das Konkurrenzblatt Metropol, das einige Wochen später auf dem Markt war, überlebte die finanzielle Durststrecke nicht und stellte schon bald den Betrieb ein. Ähnlich ging es den Nachfolgeblättern Heute, Blick am Abend oder .ch. Fazit: 20 Minuten war die leuchtende Ausnahme, die die Regel bestätigte. Der Kauf der Pendlerzeitung vor genau 20 Jahren war der Königscoup des damals neuen Tamedia-Chefs Martin Kall und für das Unternehmen ein absoluter Glücksfall.
Mit dem Entscheid, das gedruckte 20 Minuten einzustellen, geht diese Epoche zu Ende. Zwischenzeitlich hat Corona stattgefunden und das Smartphone seinen Siegeszug angetreten, zwei Ereignisse, die die damals unbegrenzte Erfolgsstory von 20 Minuten ganz klar zum Stottern brachten. Dass die grösste Zeitung des Landes, neben derjenigen von Coop und Migros, ihre gedruckte Ausgabe einstellt, ist trotzdem ein klares Signal. Gerade im vergangenen Jahr hatte man mit viel Pomp und Bundesrat Rösti das 25-jährige Jubiläum der Pendlerzeitung gefeiert. Die Frage nach einer möglichen Einstellung der Printausgabe galt damals noch als tabu. Doch manchmal sind Tabus da, um gebrochen zu werden. Bei 20 Minuten ist es jetzt der Fall. Andere Zeitungen werden – und dies ist leider die Realität – folgen.
Matthias Ackeret ist Verleger und Chefredaktor von persönlich und persoenlich.com.
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Das Ende einer Epoche