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Das MAZ der Nordwestschweiz

Am 15. Dezember, zehn Tage vor Weihnachten, gab die Basler «TagesWoche» den Abbau von fünf Stellen bekannt. Dass im Journalismus Stellen abgebaut werden, ist, nun ja, keine Überraschung, und dass bei der «TagesWoche» auch bald erneute Veränderungen anstanden, war allen, die das Haus ein bisschen kannten, seit langem klar. Ich habe in den letzten Jahren immer wieder und immer wieder gerne für die «TagesWoche» geschrieben. Umso gespannter war ich auf die neusten Entwicklungen in der «TagesWoche».

Nun wurde öffentlich, dass die «TagesWoche» die beiden Vollzeitstellen in der Kulturredaktion ersatzlos streicht. Auch Marc Krebs, dem mit dem grossen Blocher-Exodus von der «Basler Zeitung» her zur «TagesWoche» stiess und seit Beginn des Medienprojektes die Kulturredaktion leitete, muss die «TagesWoche» verlassen. Dass die «TagesWoche», die sich just in ihrer Mitteilung vom 15. Dezember auf Werte wie Respekt und soziale Verantwortung bezieht, zehn Tage vor Weihnachten ihren loyalsten und dienstältesten Mitarbeiter, einen Vater von drei Kindern, schasst: Natürlich etwas doof, aber geschenkt. Easy. It’s the economy, stupid. Und genau da verstehe ich die «TagesWoche» nicht.

Denn die Entscheidung, Marc Krebs ziehen zu lassen, ist für den Erfolg des Unternehmens «TagesWoche» eine ziemliche Dummheit. Erstens journalistisch: Marc Krebs kennt die regionale Kulturszene wie kein Zweiter in Basel. Krebs schreibt seit über 20 Jahren kritisch, fordernd, fördernd über die Kulturstadt Basel; er kennt den Kulturstandort Basel als Kritiker, als selber aktiver Musiker – und als Fan. Marc hat die Art, wie man in der Schweiz über Popkultur schreibt, nachhaltig geprägt, was man auch in seinen Buchpublikationen über die Geschichte der Basler Popmusik, die Band Lovebugs oder den Club Atlantis nachlesen kann. Krebs ist der Chronist des Basler Popkultur-Szene. Jeder, der schon mal mit Marc Krebs in einer Redaktionssitzung sass, weiss, wie viele Ideen für Geschichten und Approaches er ständig einbringt, wie viele Leute er kennt, wie sehr man ihn schätzt. Die «TagesWoche» gab am 15. Dezember bekannt, dass sie sich noch mehr in Richtung Community-Projekt entwickeln will – und feuert ausgerechnet jenen Mann, der das unbestrittene Scharnier zu genau dieser Community darstellt. Das ist schwer zu verstehen.

Zweitens ist die Entlassung von Marcs Krebs ein taktischer und betriebswirtschaftlicher Fauxpas. Denn Marc Krebs ist neben seinem journalistischen Schreiben vor allem eins: Der grösste Entdecker und Förderer von jungen Journalismus-Talenten in Basel. Die Liste von Leuten, die von Marc früh gefördert wurden, ist lange: David Bauer, Hazel Brugger, Andreas Schneitter, Gabriel Vetter (ich): Das sind nur vier Namen, deren Karrieren durch Marc Krebs lanciert oder geprägt wurden. Mir gab Marc Krebs 2004, als ich noch ein verwirrter Student war, die Möglichkeit, für die «Basler Zeitung» über Popmusik zu schreiben. Ich hatte mich mit einem kruden Slam-Text bei ihm beworben. Er gab mir das Vertrauen, unkonventionell zu beschreiben und auch mal über die Stränge zu hauen. Er war lange mein Chef, heute ist er ein guter Freund.

Hazel Brugger holte Marc vor gefühlt sechs Jahren als freie Autorin und Video-Bloggerin zur «TagesWoche»; da war Hazel noch eine unbekannte Gymnasiastin in Bülach. Als das Tagi-Magi noch über den besten Vegi-Burger in Katmandu oder die schönsten Herren-Schuhe aus apulischem Büffelhorn schrieb, produzierte Hazel Brugger dank Marc Krebs an der Art Basel bereits Heute-Show-artige Reportagen für die «TagesWoche». Als Veranstalter der Basler Lesebühne St. Bimbam holte Marc Krebs Hazel auch schon vor allen anderen auf die Basler Bühnen. Später dann pushte Marc bei der «TagesWoche» Leute wie Tara Hill, Naomi Gregoris, Valentin Kimstedt, Matthias Oppliger, Daniel Faulhaber. Nicht umsonst nennt man Marc Krebs auch «das MAZ der Nordwestschweiz». Die «TagesWoche» hatte dank Marc Krebs nicht nur Kontakte zur gesamten Basler Kulturszene, sondern auch immer Zugang zu einem erfrischenden Schreiber-Pool: Ohne Marc Krebs ist es fraglich, inwiefern es bei der «TagesWoche» noch Beiträge geben wird von Leuten wie Renato Kaiser, Lara Stoll, Hazel, Linus Volkmann, oder Andreas Schneitter.

Sagen wir es mit einer Metapher, die in der Fussball-Stadt Basel sicher verstanden wird: Die «TagesWoche» ist ein Ausbildungsverein. Und sie hat soeben ihren besten Nachwuchstrainer entlassen. Die anderen Clubs werden sich die Hände reiben. Schade um das Projekt «TagesWoche». Ich wünsche viel Spass in der dritten Liga.


Gabriel Vetter ist Autor und Satiriker. Der Text ist ursprünglich ein Facebook-Post und wurde für persoenlich.com leicht editiert. Der Autor ist mit Marc Krebs persönlich befreundet und moderierte mit ihm auch die erwähnte Lesebühne St. Bimbam.

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