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Deshalb ignoriert der Mensch Tatsachen

Marcus Knill

Der Kognitionspsychologe Stefan Schulreich gibt auf Bento Erklärungen darüber, wie Menschen Informationen verarbeiten und bewusst oder unbewusst Information auch ignorieren. Psychologische Faktoren wie Emotion, Stress und Wahrnehmung spielen dabei eine Rolle. Er erwähnt ein paar beachtenswerte Punkte in einem Interview: «Wir machen beim Datenverarbeiten Fehler. So kommt es, dass wir Fakten nicht als solche anerkennen können oder wollen. Das kann passieren, wenn wir unter Zeitdruck stehen oder wenn Informationen mehrdeutig sind». Es gibt also das sogenannte Phänomen des Confirmation Bias, was «Bestätigungsfehler» heisst. Wir nehmen Information selektiv wahr, immer genau so, wie sie zu unserem Weltbild passen. Man kennt in der Sozialpsychologie den «Dunning-Kruger-Effekt»: Wer inkompetent in einem Gebiet ist, überschätzt die Kompetenz systematisch. Wer kompetent ist, weiss, was man nicht weiss und unterschätzt, wie kompetent er oder sie selber ist. Der Dunning-Kruger-Effekt kann zu Kommunikationsproblemen führen: Allzu vorsichtige Aussagen setzen sich weniger durch. Das Publikum bekommt den Eindruck, man habe keine Ahnung. Emotionale und motivationale Faktoren spielen beim Datenverarbeiten eine grosse Rolle. Emotionen steuern unser Denken und Verhalten. Auch Stress beeinflusst kognitiven Fähigkeiten. Motivationale Faktoren hingegen wirken eher langfristig. Bedürfnisse, Werte und Vorstellungen haben einen grossen Einfluss der Bewertung von Argumenten. Wie also kann man sich trotz dieser Erkenntnisse durchsetzen? Es ist wichtig, diese Fakten so zu vermitteln, dass sie einfach zu verarbeiten sind. Dies ist dank echtem Interesse am Gegenüber möglich. Das heisst: Wir gehen auf seine Sichtweisen ernsthaft ein. Wir sollten uns immer wieder bewusst machen, dass wir Informationen selektiv verarbeiten.

Mein Appell dazu: Setzen wir uns deshalb mit anderen Meinungen auseinander! Es lohnt sich stets, die Perspektive zu wechseln. Berücksichtigen wir, dass vor allem Emotionen unser Denken und Verhalten steuern. Argumentieren wir mit konkreten Beispielen, konkreten Erlebnissen, mit Bildern, die mit den Fakten gekoppelt werden. Vergessen wir nie: Emotionen schaffen den Nährboden für Fakten. Erst wenn Dialoge nichts bringen ist «Nicht-Reden» eine Option. Bei Sektierern, Extremisten wissen wir, dass sie niemand von ihrer fixen Meinung abbringen kann. Auch Fakten perlen an ihnen ab. Einen militanten Kernkraft-Gegner wird niemand überzeugen können, neue Kernkraftwerke zu bauen. In solchen Fällen bringen uns keine Auseinandersetzungen weiter.

Leider brechen wir Diskussion zu oft vorschnell ab; mit der Begründung, das Gegenüber sei ein Sektierer, ein Extremist. Die Verweigerung von Dialogen sollte eigentlich immer nur eine Ausnahmesituation bleiben. Gesprächsverweigerung signalisiert bekanntlich: Kapitulation. Wenngleich der Mensch die Tendenz hat, Tatsachen zu ignorieren, dürfen wir sie nicht ausblenden. 



Marcus Knill ist Experte für Medienrhetorik und Autor der virtuellen Navigationsplattform für Kommunikation und Medien rhetorik.ch.

Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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