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Die Geschichte des Interviewabbruchs

Matthias Ackeret

Toni Kroos ist nicht nur Weltmeister, sondern auch fünffacher Champions-League-Sieger. Aber richtig berühmt wurde er durch ein ZDF-Interview, das er nach dem Final entnervt abgebrochen hatte. Angeblich wegen Respektlosigkeit des Reporters. Der Starfussballer hat nicht nur den Ukrainekrieg aus den deutschen Schlagzeilen vertrieben, sondern auch bewiesen, dass man mit einem nicht existenten Gespräch mehr Nachhaltigkeit erzielen kann als mit einem reellen. Bemerkenswert, dass Kroos in den herkömmlichen Medien meist kritisiert, von den sozialen Medien aber gefeiert wurde.

Analysiert man die Kulturgeschichte des Interviewabbruchs, so stellt man Folgendes fest: Der Abbrechende fühlt sich oftmals gering geschätzt, der Fragende reagiert verdutzt und am Ende bleibt auf beiden Seiten ein fahles Gefühl. Zuletzt sorgte der Schweizer Impfchef Christoph Berger für einen Mini-Eklat, als er Roger Schawinski in einer laufenden Radio-1-Sendung den Hörer auflegte. Anschliessend versöhnte man sich.

Interviewabbrecher reagieren meist im Affekt, dies im Gegensatz zu Studioflüchtern wie Ueli Maurer, der 1999 erbost aus dem Tele24-Studio stürmte. Der Verdacht der Inszenierung war nicht zu verdrängen; Maurers späterer Karriere hat der Sprint nicht geschadet. Zurück zu Kroos: Vor einem Jahr hatte Deutschlands ausdauerndster Grossschwätzer Uli Hoeness dessen Fussball als «nicht mehr zeitgemäss» gebrandmarkt. Zu Unrecht, wie sich zeigt. Man hätte Kroos’ späte Genugtuung vor der Kamera gerne gesehen. Doch dazu kam es nicht mehr.

 

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