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Die ungeliebte Schwiegermutter

Haben Polizisten Anspruch auf Quellenschutz? Im Politblog des «Tages-Anzeigers» machte ein anonymer Polizist happige Vorwürfe an die Behörden und die Politik. Diese würden die Herkunft von Gewalttätern bewusst verheimlichen. Dabei liege in der Kriminalstatistik der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund weit über 80 Prozent. Für den Winterthurer Medienprofessor Vincenz Wyss des Guten zu viel. Eine solche anonyme Behauptung müsse man sorgfältig nachrecherchieren, kritisierte er gegenüber persoenlich.com. Daraufhin keifte Peter Hartmeier, der ehemalige «Tages-Anzeiger»-Chefredaktor zurück: Leute wie Wyss hätten keine Ahnung von der Praxis.

Der ganze Disput zeigt die Crux mit der Medienwissenschaft: was sie auch macht, ist falsch. Es ist wie mit der Schwiegermutter, auf die man einhackt, sofern sie nicht gerade die Enkel hütet. Irgendwie verständlich: während andere Wissenschaften wie die Jurisprudenz oder Ökonomie die Wirklichkeit mitprägen, gehen die Medienethiker von einer Realität aus, die so nicht existiert. Der verstorbene Medienguru Kurt Imhof freute sich über seine erste Einladung in einen Newsroom. Zuvor hatte er jahrelang über die unsäglichen «Verrichtungsboxen» gelästert, ohne sie jemals gesehen zu haben.

Andererseits: Auflagenschwund, Inseratenflaute, Produktionsstress und Konkurrenzdruck haben in den Verlagshäusern längst einen wichtigeren Stellenwert als journalistische Ethik.  Doch machen wir uns nichts vor: Medienethiker denken auch dann noch über Medien nach, wenn diese nicht mehr existieren. Und selbst dann werden die Journalisten aus dem Grab hinaus lästern. Über die Medienethiker.  

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