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Die Wende hat begonnen

Justas Juozapaitis

In der digitalen Werbung lag der Fokus in den vergangenen Jahren vor allem auf den Medien. Tatsächlich wird heutzutage der Media-Einkauf mittels programmatischen, auf Big Data basierenden Methoden revolutioniert. Dank dieser umfassenden Datensätze können Online-Marketing-Spezialisten ihre Investitionen heute so optimieren, dass sie die relevantesten Interessenten ansprechen.

Reicht ein rein rationaler, auf Zielgruppen und Werbekanäle gerichteter Ansatz aus, damit wir wirklich Einfluss auf unsere Zielgruppen nehmen können? Das richtige Publikum im richtigen Moment und am richtigen Ort zu erreichen, ist sicher wichtig. Noch wichtiger ist es jedoch, ihm die richtige Botschaft zu vermitteln. Bill Bernbach sagt: «Werbung ist Überzeugung – und Überzeugung ist keine Wissenschaft, sondern eine Kunst.» Im Übrigen besagen zahlreiche neuere Studien, dass der Erfolg einer Werbemassnahme grösstenteils nicht von der Ansprache oder dem Werbekanal abhängt, sondern vom Werbemittel und seiner Botschaft. Viele Werbetreibende neigen dazu, das enorme Optimierungspotenzial der Werbemittel zu unterschätzen. Nicht selten steht im Zentrum eines Ads noch ganz traditionell eine einzige Botschaft. Auch heute noch nutzen die meisten digitalen Kampagnen ein und dieselbe Botschaft für ihre gesamte Audience und setzen nur im Vertrieb auf Personalisierung und Mikrotargeting. So stehen Big Data und Werbemittel allenfalls nebeneinander, ohne sich wirklich aufeinander zu beziehen. Es entstehen gerade neue Technologien, die es ermöglichen, Werbebotschaften und Zielgruppen je nach Kontext anzupassen, während sich das Verwalten von Ads als neuer Sektor im Adtech-Bereich formiert. Willkommen im Zeitalter des Creative Data Advertising!

Heute sind die Möglichkeiten, Zielgruppen exakt anzusprechen, praktisch unbegrenzt. Die Kombination von First-Second- und Third-Party Data mit den technischen Targeting-Möglichkeiten, wie etwa der Mikro-Geolokalisierung, bietet ein weites Experimentierfeld und Optimierungspotenzial. Der dynamischen Ansprache wird allerdings durch eine gewisse Starrheit aufseiten der Werbebotschaft entgegengewirkt. Zwar gibt es Kampagnen, die mehrere Inhalte nacheinander, in Form eines Narrativs, einsetzten.

Kampagnen, die auch auf der inhaltlichen Ebene tatsächlich dynamisch agieren, sind aber eher selten. Dynamische Werbung beschränkt sich in den meisten Fällen auf das Retargeting. Die Spezialisten in diesem Bereich, beispielsweise die französische Firma Criteo, sind im Übrigen Vorreiter beiden dynamischen Online-Bannern oder der Dynamic Creative Optimisation. Allerdings werden DCO-Banner noch äusserst selten in Prospecting-Kampagnen genutzt, obwohl wir wissen, dass Konsumenten keine homogene Gruppe sind, sondern unterschiedliche soziodemografische Merkmale, Verhaltensweisen oder Einstellungen zu einer Marke haben. Während sich Awareness-Kampagnen auf eine einheitliche kreative Linie ausrichten können, besteht der ureigene Nutzen von Performance-Kampagnen darin, sich auf verschiedene potenzielle Prospects auszurichten. Die Basis der Medienarbeit ist hier, die richtige Zielgruppe zu finden, um sie im richtigen Augenblick anzusprechen. Wenn wir aber die Interessenten segmentieren können und den besten Zeitpunkt für die Kommunikation kennen, warum sollten wir dann nicht auch die Werbebotschaften anhand dieser Faktoren anpassen?

Genau das ist die Strategie des Creative Data Advertising: das Erstellen, Anpassen und Reproduzieren von Werbemitteln (Bannern) unter Berücksichtigung der in Echtzeit über den Nutzer vorliegenden Informationen. Wie die Bezeichnung dieser Strategie schon ahnen lässt, sind Daten die grundlegende Voraussetzung für eine personalisierte Ansprache.

Das typische Beispiel für Creative Data Advertising ist eine nicht spezialisierte E-Commerce-Site mit einem riesigen Produktangebot. Die Kommunikation dieser Site lässt sich so anpassen, dass die angezeigten Produkte je nach Wetter, den bisherigen Interaktionen mit dem Nutzer oder lokalen Ereignissen ausgewählt werden. Personalisierte Anzeigen sind aber auch für Websites mit kleinerem Produktangebot möglich. Wichtig ist nur, über welche Daten wir verfügen und ob wir sie für dynamische Display-Werbemittel nutzen wollen. Für Performance-Kampagnen hat dieser Ansatz zahlreiche Vorteile, insbesondere die dynamische Verwaltung der für die Kommunikation genutzten Sprachen.

Technologie im Dienst der Kreativität

Eine dynamische Kampagne durchzuführen ist nicht einfach. Zwar liegt ihr Nutzen auf der Hand, doch durch das Erstellen und die orchestrierte Verbreitung einer grossen Zahl von Werbebotschaften können zum einen die Produktionskosten signifikant steigen und zum anderen kann sich die Durchführung der Kampagne als sehr komplex erweisen – was sich wiederum negativ auf den ROI der Massnahme auswirkt.

Glücklicherweise hilft den Werbetreibenden heute die Technologie: Gerade in den letzten Jahren sind viele Plattformen für das Verwalten von Ads, die so genannten Creative Management Platforms (CMP), entstanden. Dank dieser neuen Triebfedern können Werbefachleute heute ihre Kreativ-Assets umfänglich testen, optimieren und personalisieren.

Die neuen Plattformen verteilen sich im Wesentlichen auf zwei Gruppen: solche, die sich vorrangig auf die Konzeption vielfältiger Werbemittel konzentrieren (CMP – Creative Management Platforms) und solche, die den Akzent auf die Echtzeit-Optimierung der Werbemittel legen (DCO – Dynamic Creative Optimisation). CMP haben vor allem die Aufmerksamkeit der globalen Werbeauftraggebern gewonnen, da diese sich um die zentrale Produktion von Kampagnen und deren Adaption in viele Sprachen kümmern müssen. DCO sind dagegen bisher vorrangig für das Retargeting eingesetzt worden, etwa in Kampagnen von Fluggesellschaften oder Hotelbuchungsplattformen. Die gute Neuigkeit ist aber, dass CMP und DCO gerade in polyvalenten, integrierten Plattformen kombiniert werden.

Solche integrierten Plattformen haben vor allem folgende Vorteile:

  1. Sie vereinfachen den Erstellungs- und Adaptionsprozess von Werbeformaten.
  2. Sie nutzen die Daten von Kunden und Interessenten, um dynamische und relevantere Ads zu erstellen.
  3. Sie beschleunigen das Erstellen, das Liveschalten und die Kreativoptimierung von Kampagnen.
  4. Sie integrieren zwei Vorteile: Mediaoptimierung und Kreativoptimierung.
  5. Im Idealfall ermöglichen integrierte CMP- und AdServing-Lösungen, dass Kampagnen von einer zentralen Stelle gesteuert werden, die das Erstellen, Verbreiten, Messen und Reporting übernimmt.


Allerdings stellen diese neuen integrierten Plattformen die Werbetreibenden vor beträchtliche Herausforderungen, etwa in technischer Hinsicht: Kunden, die sich für eine solche Lösung interessieren, müssen gewährleisten, dass sich ihre unterschiedlichen Datenquellen untereinander vernetzen lassen. Das betrifft vor allem die in einer DMP zusammengeführten Kundendaten, die von einem AdServer gesammelten Kampagnendaten und schliesslich die Kreativplattform und ihre Formatierungsmöglichkeiten. Je enger diese drei Tools miteinander verknüpft sind, umso organischer kann die Ad-Anpassung in die Optimierung von Zielgruppe und Mediainventar integriert werden.

Eine Herausforderung für das Kampagnenmanagement

Doch nicht nur der technische Aspekt der Integration birgt Herausforderungen: Die Funktionsweise und die Arbeitsabläufe, die mit diesen neuen Technologien einhergehen, sind zurzeit noch sehr neu und kaum definiert. Daher werfen diese Technologien schlussendlich eine weitere Frage auf: Wer steuert eine solche Kampagne? Die Kreativagentur? Ihr fehlt das Detailwissen über Media- und Marketingfragen. Der Kunde/Inserent? Er verfügt meistens nicht über die notwendigen Mittel; zudem ist es nicht einfach, die zum Erstellen und Verbreiten von Werbebotschaften benötigten Qualifikationen intern bereitzustellen. Die Medienagentur? Sie ist oft nicht in der Lage, ganz auf sich gestellt eine wirklich überzeugende kreative Umsetzung zu liefern.

Bei Mediatonic haben wir den Vorteil, dass wir diese Technologien schon zusammen mit einigen unserer Kunden in dynamischen und vollständig integrierten Kampagnen einsetzen konnten. Dank unserer Erfahrung mit verschiedenen in AdServern (wie Sizmek, Google und Adform) integrierten Kreativplattformen kennen wir die technischen und organisatorischen Herausforderungen solcher Projekte. Obwohl wir wissen, wie komplex solche Kampagnen sind, konnten wir bisher aber vor allem eines feststellen: dass sie potenziell grosse Vorteile und eine verbesserte Performance bieten.

Fallstudie – Sky Sport

Ende 2017 war Mediatonic an der Einführung des kostenpflichtigen Streaming-Dienstes Sky Sport in der Deutschschweiz beteiligt. Nach dem erfolgreichen Launch konnten wir die Branding-Aktivitäten in Richtung einer Always-on Performance-Kampagne mit Fokus auf die Spiele der deutschen Bundesliga weiterentwickeln. Anhand der in diesem Zusammenhang gewonnenen Erkenntnisse haben wir anschliessend nicht nur unser Mediakonzept, sondern auch unser Ad-Konzept angepasst.

  • Ein Grossteil der Sky-Sport-Abos wurde erst 24 Stunden vor einem wichtigen Match abgeschlossen, wobei die Anzahl bis zum Spielbeginn kontinuierlich stieg.
  • Je exakter wir bei der Mediaverbreitung diesem Zeitschema folgten, umso höher fielen die Abo-Peaks aus.
  • Die Zahl der potenziellen Abonnenten wurde sowohl von der Bedeutung der einzelnen Spiele beeinflusst als auch von den gegeneinander antretenden Teams: Derbys oder Begegnungen zwischen den Spitzenteams des jeweiligen Wettbewerbs stiessen bei den potenziellen Zuschauern verständlicherweise auf besonders grosses Interesse.


Nachdem wir dies erkannt hatten, haben wir unsere programmatische Werbung im Rahmen der Prospecting-Kampagnen von Sky Sport komplett überarbeitet: Nach dem Backloading-Prinzip (stetig steigender Werbedruck bis zum Spielbeginn) waren wir exakt zum relevantesten Zeitpunkt und (dank kontextabhängiger, durch Schlüsselwörter gesteuerter Ansprache) im relevantesten Kontext präsent und haben dabei die relevanteste Zielgruppe (als Sport- oder Fussballfans bekannte Nutzer) angesprochen).

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Über diese Medienoptimierungen hinaus haben wir zusammen mit dem Creative Production-Team von Adform auch ein neues Konzept für Display-Kampagnen erarbeitet und eingeführt, indem wir ein DCOBanner-Template entwickelt haben. Der Inhalt einer Kampagne wird nicht mehr wie bisher auf einen einzigen Call-to-Action (CTA) ausgerichtet, sondern zeigt die, für einen Fussballfan, essenzielle Information: Wann ist das nächste Spiel und wer spielt?

Ein Countdown verstärkt dazu den subjektiv empfundenen Zeitdruck und verleitet zu spontan Abschlüssen. Mithilfe dieses Templates lässt sich die Kommunikation aber nicht nur relevanter gestalten, sondern wir können unser Werbematerial auch künftig sehr schnell und ohne zusätzliche Kosten an andere Kampagnen anpassen – und haben das bereits 2019 mit einer Hockey-Kampagne getan.

Verglichen mit den bisherigen Prospecting-Kampagnen hat dieser Ansatz folgende Vorteile:

  • Performance : Wir konnten bei Display-Kampagnen dank dynamisch optimierter Auslieferung und Werbebotschaft die Konversionsrate um 65 Prozent gegenüber den früher in einem ähnlichen Kontext durchgeführten statischen Kampagnen steigern.
  • Flexibilität: Nachdem das dynamische Template einmal erstellt war, konnten wir die im Rahmen der Prospecting-Kampagnen verwendeten Botschaften sehr schnell an unterschiedliche Veranstaltungen anpassen. Auch die einzelnen Banner-Elemente (Hook/ Call-to-Action, Countdown) liessen sich von Fall zu Fall problemlos optimieren und modifizieren.
  • Kosten: Die Einsparungen im Rahmender Erstellung einer solchen Lösung sind zwar nicht leicht zu beziffern, aber unbestreitbar vorhanden. Im vorliegendem Beispiel konnten wir das für die Fussball- Bundesliga erstellte Template auch für andere Sportarten nutzen.

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Ein neues Entwicklungs- und Experimentierfeld

Uns ist bewusst, dass wir erst am Anfang einer neuen Ära stehen. Wie schon den Medienbereich werden die neuen Technologien auch die Ad-Gestaltung revolutionieren. Die Möglichkeiten sind praktisch grenzenlos. Unserer Ansicht nach können Werbetreibende in Zukunft mit einer strategischen Vision, Kreativität und der passenden Technologie noch grössere Erfolge erzielen. Die Aufgabenverteilung innerhalb der Triade «Kunde – Kreation – Media» wird zwar kaum einfacher werden, doch wir sind überzeugt, dass sich eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen diesen Akteuren entwickeln wird und diese sich selbst ebenfalls neu erfinden.



Justas Juozapaitis ist Progammatic-Spezialist bei der Programmatic-Unit Aeko von Mediatonic.

Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 

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