Lassen wir mal beiseite, dass die Stadt Zürich in ihrem Beschluss zur amtlichen Einführung des Gendersterns biologische Fakten umgeht und Mann/Frau als «binäre Fixgrössen» abschafft. Und lassen wir beiseite, dass die Stadt Zürich mit dem Genderstern der Bevölkerung eine höchst umstrittene Ideologie aufdrückt.
Was hier viel mehr interessiert: Warum machen so viele Menschen in der Werbebranche mit bei dieser Fantasiesprache mit Stern im Wort? Wie viele Werber (also alle Werbenden, denn das generische Maskulinum ist geschlechtsneutral!) haben sich schon die Haare gerauft, weil eine Headline einfach keinen Platz liess für die Aufzählung beider Geschlechter? Und haben sich dann mit «Liebe Kund*innen» beholfen (was orthografisch falsch ist), wohl wissend, dass die meisten der Werbungkonsumierenden das so gar nicht lesen wollen? Niemand aber meint bei «Liebe Kunden: Nutzen Sie unseren Schlussverkauf», Frauen oder Trans* Menschen müssten zu Hause bleiben. Selbst Luise F. Pusch, die Mutter der feministischen Linguistik, ist gegen den Genderstern, weil dieser die Frauen (innen) noch mehr vom Wortstamm abtrennt.
Noch jede Umfrage im deutschsprachigen Raum ergab: Eine grosse Mehrheit goutiert den durch den Genderstern erzwungenen «Sprachwandel» nicht. Verständlich, denn nicht Sprache verändert die Welt – wer die Welt verändern will, muss den Worten Taten folgen lassen. Die Schweizer Flüchtlingspolitik ist nicht freundlicher geworden, nur weil man nicht mehr Asylanten sagt.
Die sogenannte «geschlechtsneutrale Sprache» ist unpräzise, der Genderstern obendrein nur das Sonderzeichen einer Ideologie. Wer kein Geschlecht spezifisch meinen will, kann konsequent das generische Maskulinum benutzen. Erst wenn man dem ausweicht, wird’s umständlich, missverständlich und oft schlicht falsch. Dass es «die Gabel» und «der Löffel» heisst, hat ebenso wenig mit dem Geschlecht von Besteck zu tun wie «die Waise» oder «der Werber» mit dem Sexus von Personen: Der Artikel bezieht sich auf das Genus des Wortes, nicht auf das Geschlecht des Menschen. That’s it. Oder hat schon mal jemand «der Leicherich» (statt «die Leiche») gesagt, weil ein Mann tot war?
Auch ein Unding sind Stelleninserate mit m/f/d – sie legen einzig nahe, dass die entsprechende Firma bis vor wenigen Jahren divers fühlende Menschen nicht eingestellt hätte. Kein Geschlecht anzugeben, meint automatisch: Alle sind gemeint. Statt Geschlecht explizit herauszustreichen, sollten wir da, wo wir keines meinen, auch keines erwähnen.
Weshalb also machen so viele Werbetreibende mit beim Genderstern? Weil sie in ihrer Community gefallen wollen und ihnen die Käufer, die sie eigentlich ansprechen sollten, weniger wichtig sind. Als Kunde einer Agentur würde ich mir Gedanken machen.
Deshalb Aufruf an alle hier, die mit Sprache arbeiten: Seid für einmal mutig! Gebraucht die deutsche Sprache richtig, klug und präzise. So wie es Elke Heidenreich tut, die darauf besteht, als Schriftsteller zu arbeiten. Warum? Weil sie damit ihren Beruf meint und nicht ihr Geschlecht. Das ist weiblich, nicht schreibend.
*Die Initiative «Tschüss Genderstern», über die in der Stadt Zürich am 24. November abgestimmt wird, will den Genderstern in der amtlichen Sprache verhindern.
Michi Perricone war viele Jahre Journalist bei SRF, Tamedia und Ringier und arbeitet jetzt in der Kommunikationsbranche.
Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.
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Ein Plädoyer für präzise Sprache