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Fake News in eigener Sache

Florian Schwab

Am Montag setzte der Nationalrat die No-Billag-Debatte fort (persoenlich.com berichtete). Zwei Stunden zuvor warf Swissinfo einen sogenannten «Faktencheck» in die Waagschale: Darin sollten «die besten Argumente» von «Gegnern und Befürwortern» aus der ersten Ratsdebatte vom 14. September «unter die Lupe» genommen werden». So lautete der Anspruch der sechs Autoren, darunter die Chefredaktorin von Swissinfo und ihr Stellvertreter. Sogleich wurde der «Faktencheck» von zahlreichen SRF-Moderatoren auf Social Media verbreitet. Schützenhilfe gab es auch von ganz oben. Jean-Michel Cina (CVP), Präsident der SRG, schrieb auf Twitter: «Zu einer unabhängigen Berichterstattung gehört auch die Korrektur faktenwidriger Darstellungen. Fakten bleiben Fakten. Aus jeder Perspektive.» Tatsächlich? Eine genaue Analyse des «Faktenchecks» zeigt erstaunliche Defizite.

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Die erste Aussage, welche der «Faktencheck» zu überprüfen vorgibt, stammt von SVP-Nationalrätin Céline Amaudruz: «Die Privilegien, welche der SRG gewährt wurden, machen diese zu einem quasi-monopolistischen Unternehmen.»

Die Einordnung durch Swissinfo beginnt so: «Gemäss Duden ist unter einem Monopol ein ‹marktbeherrschendes Unternehmen› zu verstehen». Wenn man schon ein Rechtschreibe-Wörterbuchs heranzieht, dann hätte man auch gleich den Begriff «quasi» nachschlagen können. Damit hätten die sechs Sprachpolizisten leicht herausgefunden, dass man mit einem vorangestellten «quasi» die Absolutheit des nachfolgenden Wortes herabsetzen kann. Ein Quasi-Monopol ist eben gerade nicht ein Monopol im streng volkswirtschaftlichen Sinne.

Um zu entscheiden, in welchem Masse die SRG als Monopol angesehen werden kann, müsste man nun eigentlich die einzelnen Märkte, in denen sie aktiv ist, genau überprüfen. Diesen anspruchsvollen Versuch unternehmen die Faktenchecker nicht. Stattdessen verschieben sie lieber das Augenmerk von der Frage, ob die SRG quasimonopolistisch sei, auf die Frage, ob sie das sein darf oder soll. Die subjektive Antwort auf diese subjektive Frage gibt Guido Keel, Leiter des Instituts für Angewandte Medienwissenschaft in Winterthur: «Bei Medien von einem Markt zu sprechen, ist gemäss Guido Keel problematisch», gehe es doch schliesslich um «ein öffentliches Gut», dessen «Nutzen sich nicht auf die beschränken» lasse, «die dafür bezahlen». Genau mit diesem Argument wird normalerweise begründet, warum nur und ausschliesslich die SRG den Service public im Medienbereich leisten kann: als staatliches Monopol zur Korrektur von (angeblichem) Marktversagen.

Fazit: Der Wahrheitsgehalt von Amaudruz’ Aussage wird völlig willkürlich auf 30 Prozent veranschlagt. Warum? Man wüsste es gerne.

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Als Zweiter muss SVP-Nationalrat Lukas Reimann durch den «Faktencheck»: «Nicht nur die SRG kann sich um diese freiwerdenden 1,35 Milliarden Franken bewerben, sondern dann kann jeder und jede, können innovative Start-ups, neue Unternehmen, Internet-Unternehmen um dieses Geld buhlen, das frei wird. Das gibt neue Arbeitsplätze in Branchen und Unternehmen, die heute vom Staat nicht privilegiert sind.»

Die Faktenchecker belehren Reimann, dass die eingesparten 1,35 Milliarden Franken nicht vollumfänglich in den Konsum gehen, sondern teilweise gespart würden: «Die Sparquote der Schweizer Haushalte beträgt rund 20 Prozent, womit zirka 1,09 Milliarden Franken frei würden.» Wie viel «davon tatsächlich in zusätzliche Arbeitsplätze flösse» sei «schwer zu schätzen», schliesslich betrage der Anteil der Personalkosten am Umsatz gesamtwirtschaftlich höchstens vierzig Prozent. «Somit entstünden für maximal 436 Millionen Franken neue Stellen.» Zumal ein Arbeitsplatz in der Schweiz im Durchschnitt 113’000 Franken koste, ergäben sich daraus maximal 3860 Stellen und das sei «deutlich weniger, als die 4946 Vollzeitstellen, die bei der SRG direkt verloren gehen, wenn die No-Billag-Initiative angenommen würde». Unter dem Strich wird Lukas Reimann somit ein Wahrheitsgehalt von fünfzig Prozent attestiert.

Die von Reimann postulierten Effekte werden also mit Vulgär-Ökonomie kleingerechnet: 1,358 Milliarden Gebührengelder x 0,8 wegen der Sparquote x 0,4 wegen der «Personalaufwandsquote der Unternehmen» (Wo sind eigentlich die 400 Millionen Werbeeinnahmen in dieser Rechnung?!). Um diesen Zahlenzauber zu entlarven, genügt es, die Personalaufwandsquote der SRG anzusehen. Im Jahr 2016 nahm sie 1,64 Milliarden Franken ein (davon 1,27 Milliarden Franken aus Gebühren). Der Personalaufwand betrug 0,67 Milliarden Franken. Siehe da: Das sind vierzig Prozent! Die SRG ist also nicht «besser» darin, Umsatz in Arbeitsplätze zu verwandeln, als dies in der abenteuerlichen Modellrechnung für die übrige Wirtschaft angenommen wird. Bleibt die Sparquote: Aktuell bilden die Billag-Gebühren einen Bestandteil der Konsumausgaben, also jenes Teils des Einkommens, der konsumiert und nicht gespart wird. Was würde die Bevölkerung im Durchschnitt machen, wenn sie über die rund 400 Franken selber verfügen könnte? Die ehrliche Antwort ist: Man weiss es nicht. Die unehrliche Antwort ist: Sie würde es genau im selben Verhältnis wie das übrige Einkommen konsumieren (80 Prozent) und sparen (20 Prozent). Aber darauf kommt es gar nicht an. Anders als der «Faktencheck» weismachen will, entstehen neue Arbeitsplätze auch durch Sparen, denn gespartes Einkommen wird entweder indirekt über das Finanzsystem oder direkt in produktive Unternehmen investiert.

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Weil der «Faktencheck» verspricht, auch die Aussagen der Initiativgegner unter die Lupe zu nehmen, kommt jetzt SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher: «Ein Programm à la carte kommt teurer als das bestehende Angebot. Das Basisangebot von Teleclub kostet zum Beispiel jährlich knapp 480 Franken.»

Man ahnt es schon: Wahrheitsgehalt hundert Prozent! Applaus für Edith Graf-Litscher! «Wenn man die verschiedenen TV-Programmanbieter der Schweiz miteinander vergleicht, so stellt man fest, dass die SRG mit ihren sieben Fernsehsendern ein inhaltlich breit gefächertes Angebot aus den Bereichen Information, Sport, Kultur und Unterhaltung zu einem vergleichsweise niedrigen Preis anbietet.» Das war es. Reine Behauptungen statt Argumente.

Wie hätte ein neutraler Faktencheck zu dieser Aussage aussehen können? Ein Vorschlag: «Die Preise zwischen dem privaten Pay-TV und der gebührenfinanzierten SRG-Flatrate sind nicht vergleichbar. Ob ein Programm à la carte teurer oder günstiger wäre, hängt von den tatsächlich konsumierten Inhalten und deren Preisen ab. Für den Einzelnen kann à la carte durchaus viel günstiger sein als die bestehende Flatrate. Besonders bei jungen Kundengruppen gibt es dafür sogar eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit. Wahrheitsgehalt der Aussage von Edith Graf-Litscher: 30 Prozent.»

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Nun hat Swissinfo eigentlich schon gezeigt, was es zeigen wollte: Die Befürworter der «No-Billag»-Initiative schwindeln und die Gegner haben die Wahrheit für sich gepachtet. So ein «Faktencheck» mit nur drei Aussagen wäre aber doch ein bisschen dünn. Also kommt nochmals Lukas Reimann (SVP) dran: «Die SRG ist ja völlig abhängig vom Staat. Der Bundesrat wählt mehrere Verwaltungsräte, er nimmt Einfluss.»

Jetzt wird es formaljuristisch: Die sechs Autoren erinnern daran, dass in Artikel 93 der Bundesverfassung stehe «die Unabhängigkeit von Radio und Fernsehen sowie die Autonomie der Programmgestaltung sind gewährleistet». Auch im Radio- und Fernsehgesetz stehe klar: «Radio und Fernsehen sind vom Staat unabhängig.»

Nun, Papier ist geduldig. Man muss schon mit ziemlicher Blindheit geschlagen sein, um das Offensichtliche zu übersehen: Eine Organisation, die über siebzig Prozent ihres Einkommens aus staatlichen Gebühren bekommt und die vom Bundesamt für Kommunikation beaufsichtigt wird, ist vom Staat abhängig, ganz egal, welches byzantinische Gremiensystem sie um sich herum errichtet.

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Eine besondere Perle ist der Abschnitt, der sich mit Nationalrätin Sylvia Flückiger-Bäni (SVP) befasst. In der Debatte sagte sie: «So wurden unsere Unternehmen ja auch gezwungen, Radio- und Fernsehgebühren zu bezahlen, und zwar happige. Völlig daneben und unverständlich ist es, dass diese Gebühren auch noch nach dem Umsatz entrichtet werden müssen – Sie haben meinen Kollegen Jean-François Rime gehört –, natürlich nur, damit man noch mehr Geld einkassieren kann.»

Dieser «Seitenhieb gegen Jean-François Rime» sei «ungerechtfertigt», tadelt der «Faktencheck». Womit sich der Autor dieser Zeilen als ahnungslos in der Schweizer Politik outet: Jean-François Rime, der Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands, gehört nicht nur derselben Partei wie Flückiger-Bäni an. Gemeinsam halten sie im Parlament auch die Fahne des Gewerbes hoch. Dementsprechend weit entfernt ist Frau Flückiger-Bäni davon, «Seitenhiebe» gegen Rime zu verteilen. Sie unterstützt vielmehr dessen bereits zuvor geäusserte Kritik an der Billag-Abgabepflicht von Unternehmen.

Um Nationalrätin Flückiger-Bäni zu widerlegen, wärmt der «Faktencheck» eine alte Diskussion aus dem Abstimmungskampf rund um das Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) aus dem Frühling 2016 wieder auf, indem er 1:1 die Argumentation der damaligen Befürworter des RTVG übernimmt: Bereits bisher mussten Unternehmen (in Abhängigkeit von den Empfangsgeräten) Abgaben entrichten. Zukünftig würden 75 Prozent der Unternehmen gar keine Abgabe bezahlen, weil sie die Umsatzgrenze von 500’000 Franken nicht erreichen. Und 9 Prozent der Unternehmen bezahlten in Zukunft (mit RTVG) weniger als im derzeitigen System. Nur für 16 Prozent der Unternehmen finde eine Verteuerung statt.

Diese Aussagen waren schon in der RTVG nicht richtig, wie jedermann leicht anhand der entsprechenden Ausführungen des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) nachvollziehen konnte. Und sie sind es immer noch nicht. Im alten System musste jede Betriebsstätte eines Unternehmens (also zum Beispiel Filiale oder Zweigstelle) in Abhängigkeit von den tatsächlich vorhandenen Geräten die Abgabe entrichten. Im neuen RTVG-System zahlt jedes Unternehmen (also nicht mehr jede Betriebsstätte) eine Abgabe und zwar in Abhängigkeit vom Jahresumsatz. Unternehmen unter einem Umsatz von 500’000 Franken (rund 75 Prozent aller Firmen) zahlen nichts. Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 500’000 Franken und einer Million zahlen gleich viel wie natürliche Personen. Die höchste Abgabe (39’000 Fr. pro Jahr) zahlen Unternehmen mit einem Umsatz von über einer Milliarde Franken.

Ob ein Unternehmen im neuen System mehr oder weniger zahlt als im alten, ist also nicht so einfach zu beantworten. Da es sich um einen Systemwechsel von Betriebsstätten (von denen es ca. 648’000 gibt) hin zur entsprechenden juristischen Person (es gibt schweizweit circa 572’000 Unternehmen, davon über die Hälfte Einzelunternehmen) und von Geräten hin zum Umsatz handelt, sind Vorher/Nachher-Vergleiche schwierig.

Halten wir uns an die Fakten: In der Praxis zahlten bislang 82,4 Prozent aller Betriebsstätten keine Billag-Gebühr, weitere zwölf Prozent bezahlten lediglich die Radiogebühr. Ganz anders im neuen System: Hier zahlen 75 Prozent der Firmen keine Abgaben, weil sie einen Umsatz unter 500’000 Franken erwirtschaften. Die Aussage im «Faktencheck» wonach im neuen System «84 Prozent aller Unternehmen besser» fahren, ist damit nicht korrekt. Trotzdem führt die eigene ungenügende Recherche den «Faktencheck» zum Befund: Wahrheitsgehalt der Aussage von Sylvia Flückiger-Bäni: 20 Prozent.

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Es ist wieder an der Zeit, einem prominenten No-Billag-Gegner ein gutes Zeugnis auszustellen. Wer eignete sich hier besser als Nationalrat Matthias Aebischer (SP), der frühere SRF-Moderator: «Auch unter der Halbierung der Gebühren werden primär die Sender der Sprachminderheiten leiden. Sprich: Sie werden von der Senderliste gestrichen.»

Immerhin zehn Prozent Abzug bei der Wahrheit gibt es für das Eingeständnis: «Ob bei einer Halbierung der Gebühren, wie das bei einem allfälligen Gegenvorschlag zur No-Billag-Vorlage gefordert würde, die Sender der nicht-deutschsprachigen Schweiz völlig gestrichen würden, ist unklar.» Aber 90 Prozent Wahrheitstreue werden Aebischer dann doch noch attestiert, denn «auch eine Halbierung» würde «vor allem für die die Schweizer Sprachminderheiten eine drastische Einschränkung des Informations- und Kulturangebots bedeuten». Schliesslich erhielten die Sender auf Französisch, Italienisch und Rätoromanisch statt 690 Millionen nur «347,1 Millionen Franken pro Jahr». Gut gemacht, Herr Aebischer!

Aber, Moment! Sowohl der Gesetzgeber (im RTVG) als auch der Bundesrat (in der Konzession an die SRG) kann bestimmen, wie die Einnahmen aus der Abgabe auf die einzelnen Regionen verteilt werden. Man könnte also selbst bei einer Halbierung der Gebührengelder die Programme für die sprachlichen Minderheiten unverändert lassen – und würde das wohl mindestens für die italienische und rätoromanische Schweiz auch tun, wo aufgrund der kleinen Zielgruppe privatwirtschaftliche Angebote weniger aussichtsreich sind als in der Deutschschweiz und in der Romandie.

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Dann folgt das absolute Filetstück. Anlass dazu bietet Natalie Rickli (SVP): «Die Schweiz existiert nicht wegen der SRG. Sie hat schon vorher existiert und würde auch ohne Gebührengelder weiterexistieren.»

Ist es eine besondere Form des Humors? Oder ist es doch eher die krampfhafte Suche nach irgendeinem Allgemeinplatz der SRG-Kritiker, den man zur Wahrung des Scheins bedenkenlos für wahr erklären kann? Wir wissen es nicht. Jedenfalls: «Wahrheitsgehalt 100 Prozent.»

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Weiter geht es mit Doris Fiala, einer engagierten Anhängerin der SRG aus der FDP: «Von einer weiterführenden oder umfassenden Werbeeinschränkung für die SRG würden jedenfalls vor allem ausländische Sender profitieren. Bereits heute gehen rund 45 Prozent der TV-Werbeeinnahmen ins Ausland. Wollen Sie das?»

Das alte Lied vom Abwandern der Werbeeinnahmen von Schweizer Inserate- und Fernsehwerbung hin zu Online-Werbung und ausländischen Werbefenstern wird mit 100 Prozent Wahrheitsgehalt belohnt. Dabei wandern die Werbeeinnahmen in erster Linie dem Publikum nach: Je mehr Fernsehzuschauer von den SRG-Angeboten zur ausländischen Konkurrenz wechseln, desto attraktiver werden diese für die Werbung. Und je mehr Zeit die Leute im Internet verbringen, desto mehr verlagert sich die Werbung dorthin. Vergessen wird im «Faktencheck», dass beispielsweise Google in der Schweiz rund 2000 Mitarbeiter beschäftigt, fast halb so viele wie die SRG. Überspitzt könnte man sagen: Jeder Werbe-Franken, der von der SRG zu Google wandert, stärkt die Schweiz als Standort für die Digitalisierung – im Gegensatz zur SRG gehört Google einer Zukunftsbranche an.

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Und nochmals Natalie Rickli: «Die SRG würde mit No Billag weiter existieren.» Der «Faktencheck» dazu beginnt so: «Ganz grundsätzlich betrachtet ist die Aussage richtig.» Aber offenbar dann doch ganz falsch, denn unvermittelt schrumpft der Wahrheitsgehalt auf 10 Prozent zusammen. Begründet wird dies mit zwei Zitaten. Einmal von Otfried Jarren, Professor am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich: «Die SRG könnte ohne Konzessionsmittel ihr heutiges Programmangebot nicht mehr finanzieren.» Und einmal, ehrlicherweise, von der SRG-Unternehmenskommunikation (!): «Ohne Radio- und Empfangsgebühren würden die SRG und ihre Sendungen abgeschafft: No Billag bedeutet No SRG.» Ein Sprecher führt aus, dass sich die Übertragung grosser Sportereignisse «nicht allein über Werbung finanzieren» lassen. So habe die Übertragung der Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 «nur zu 17 Prozent» kommerziell finanziert werden können. (Zur Erinnerung: Die SRG war mit 340 Mitarbeitern nach Sotschi gereist.)

Die Wahrheit ist: Die SRG ist ein stattlicher Medienkonzern mit einem Eigenkapital von 420 Millionen Franken. Das ist fast doppelt so viel die Neue Zürcher Zeitung AG mit 280 Millionen Franken. Dazu kommt, dass die SRF-Sender viele hervorragende und äusserst bekannte Journalisten als Aushängeschilder hervorgebracht hat. Die Vorstellung, dass ein solches Medienimperium einfach so implodieren würde, ist realitätsfremd. Im Gegenteil: Die SRG würde mit einem beträchtlichen Startvorteil in einen neu entstehenden Markt entlassen. Sie könnte in Zukunft beispielsweise unbeschränkt Onlinewerbung vermarkten. Wie die SRG in Zukunft aussehen würden, entscheidet sich auf dem Markt und nicht in der SRG-Unternehmenskommunikation.

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Der letzte Gegenstand des «Faktenchecks» ist SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz: «Der Markt könnte spielen, wenn man ihn spielen lassen würde. (…) Mit öffentlichen Geldern wird jetzt die private Konkurrenz in den Schatten gestellt.»

«Die Behauptung», so die Fakten-Checker, «die SRG würde Private konkurrenzieren, kann man so nicht stehen lassen». Als einziger Beleg für diese Aussage dient wiederum ein Passus aus dem Radio- und Fernsehgesetz: darin sei «festgehalten, dass nicht-konzessionierte Tätigkeiten durch das UVEK-Departement untersagt werden können, falls der Entfaltungsspielraum anderer Medienunternehmen erheblich beschränkt wird». Aha. Faktisch passiert dies aber nicht immer, wie jeder aufmerksame Beobachter der medienpolitischen Debatte in der Schweiz weiss. Beispielsweise gab das UVEK ohne Weiteres grünes Licht für die Werbevermarktungs-Allianz Admeira der SRG mit Swisscom und Ringier. Sämtliche Proteste der übrigen privaten Medienhäuser wurden in den Wind geschlagen. Eine im Januar 2017 publizierte Umfrage des Bakom ergab, dass sich private Verlage durchaus in vielen Bereichen, hauptsächlich im Unterhaltungs- und Sportbereich, ungebührend von der SRG konkurrenziert sehen. Solche aus der Sicht der SRG unangenehmen Tatsachen blendet der «Faktencheck» aus. Amstutz’ Wahrhaftigkeit wird auf 30 Prozent zurechtgestutzt.


Florian Schwab ist seit 2011 Wirtschaftsredaktor bei der «Weltwoche». Zuvor studierte er Wirtschaftswissenschaften in St. Gallen und Tübingen. Er gehört zu den Initianten der No-Billag-Initiative.

Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 

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Kommentare

  • Sandro Prezzi, 29.09.2017 15:54 Uhr
    Fazit: niemand ist unabhängig - auch die SRG nicht, die in der #noBillag Debatte Partei ist. Umso stossender ist es, dass die SRG mit Gebührengeldern seit Monaten eine politische Kampagne führt, in einem Medium, in dem politische Werbung verboten ist. Die unzählen "Service Public" Werbespots gehen inzwischen schon den Rentnern (die SRF Heavy User) auf den Geist. Dies ist staatspolitisch bedenklich. Eigentlich müsste SRF den Billag Gegner die gleiche Werbe/Sendezeit einräumen wie sich selber.
  • Dieter Widmer, 29.09.2017 06:10 Uhr
    In der Diskussion um die No-Billag-Initiative wird es noch viele Geplänkel geben. Ich bin für ein staatliches Radio und Fernsehen mit Gebühren und Werbung. Gerade jetzt, da fast täglich von Stellenabbau in privaten Medienhäusern zu lesen ist, braucht die Schweiz ein nationales Unternehmen mit Stabilität und einem gesicherten Etat. Ich möchte nicht gezwungen sein, informationsmässig von der Weltwoche, dem Tagesanzeiger, der NZZ, einem TV-Regionalsender abhängig zu sein. Neuerdings weiss man nie, ob private Medien eingestellt oder (womöglich an die Blocher-Gruppe) verkauft wird. Deshalb zeichnet die No-Billag-Initiative einen falschen Weg vor.
  • Michael Stucki , 28.09.2017 18:02 Uhr
    Ein guter Beitrag. Mir fällt trotzdem negativ auf, dass der gleiche Kommentar bereits auf swissinfo.ch von einem gewissen Noah H. veröffentlicht wurde. Schade, das senkt die Glaubwürdigkeit leider genauso. Vor allem aber wäre es gar nicht nötig gewesen.
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