BLOG

Gemach! Und neu ansetzen

Jürg Bachmann

Privatradios (und -fernsehen) und das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) sind sich seit einiger Zeit nicht einig darüber, wie die erbrachte Programmleistung im Rahmen des privaten Service public zu beurteilen ist. Einigkeit besteht nur darüber, dass eine Leistung zu erbringen hat, wer Geld oder einen Vorteil des Staates erhalten will. Das Bakom will die Programmleistung messen, die Privatradios sehen eher ein System der qualitativen Beurteilung.

Unnötig, dass diese Diskrepanz jetzt gefährliche Dimensionen annimmt. Um seit Monaten hängige und noch längst nicht entschiedene Beschwerden des Bakom abzuwenden, beginnen einzelne Privatradios, ihre Programme nicht mehr an den Wünschen der Hörerinnen und Hörer auszurichten, sondern an den längst nicht ausdiskutierten Vorgaben der Behörde. Das Bakom lässt das zu und setzt sich damit dem Vorwurf aus, sich direkt in die Programmgestaltung einzumischen. Das hat es in den bald 40 Jahren, seit es Privatradios gibt, noch nie gegeben. Eine rote Linie droht überschritten zu werden.

Nun ist es mal so: Ein Radioprogramm dauert 24 Stunden. Weil sich die Hörgewohnheiten ändern, werden zudem immer mehr Informationen in Internetangebote ausgeweitet, die on demand abgerufen werden können. Den Zeitpunkt der Berichterstattung gibt die Aktualität vor. Die regionale Verankerung ist die Raison d’être eines Privatradios. Diese Gesamtleistung kann nicht durch die Analyse von ein paar ausgewählten Tagen beurteilt werden. Und an diesen Tagen nachzählen, wieviel Regionales gesendet wurde.

So macht es das Bakom heute und darin liegt der Grund des Zwistes. Auskünfte darüber, wie es mit Methode und Verfahren weitergehen soll, enden immer mehr in Konjunktiven: man müsste, man sollte, man könnte. Damit können die Privatradios nichts anfangen. Sie wollen keinen weiteren Konflikt mit der Behörde und greifen, Biel befiehlt’s, ins Programm ein.

Es wäre gut, wenn sich die Gemüter vor dem Jahresende noch abkühlen könnten. Es hat noch nie jemand Gesicht und Reputation verloren, der zugegeben hat, in bester Absicht und guten Treuen ein System erstellt zu haben, das nicht funktioniert. Messen geht in diesem Fall einfach nicht. Es drohen aber jene Gesicht und Reputation zu verlieren, die zu lange einem Fehler nachhängen und später doch zugeben müssen, dass da etwas falsch war.

Auch bei den Programmen der Privatradios hat es da und dort durchaus Platz für Verbesserung. Die Privatradios sind interessiert daran, zu wissen, was das Bakom unter Service public régional versteht. Und sie sind der Auffassung, dass sie dazu auch angehört und ihre Argumente ernst genommen werden sollen. Sie laden das Bakom deshalb ein, die Verfahren gegen einzelne Privatradios einzustellen, weil die Programmmessung offensichtlich untaugliche Resultate gebracht hat. Kann passieren, nicht halb so schlimm, etwas gelernt. Und sich dafür mit den Privatradios an einen Tisch zu setzen, um einen tauglichen Instrumentensatz zu schaffen, wie die Programmleistung beurteilt werden kann. Dabei soll die Behörde die Privatradios durchaus fordern. Denn davon profitieren die Hörerinnen und Hörer. Für sie machen wir Radio.  


Jürg Bachmann ist Präsident des Verbands Schweizer Privatradios (VSP).

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

Kommentar wird gesendet...

Kommentare

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Die neuesten Blogs

13.04.2024 - Hansmartin Schmid

Die Schweizer Medien und die Kriege

Die Schweizer Auslandberichterstattung ist in deutsche Hände geglitten.

Zum Seitenanfang20240424