Es war im Sommer 1999. Als junger TeleZüri-VJ fuhr ich mit dem ehemaligen Blick-Chefredaktor Sacha Wigdorovits zu einer Grossdruckerei ins österreichische Dornbirn, knapp hinter der Schweizer Grenze. In wenigen Wochen sollte dort eine neue Pendlerzeitung mit dem Namen «20 Minuten» gedruckt werden und ein neues Kapitel Schweizer Mediengeschichte begründen. Wigdorovits und ich standen in der brütenden Sommerhitze ein bisschen verloren zwischen den grossen Druckmaschinen und ich fragte mich, ob ein solches Vorhaben überhaupt realistisch und auch finanzierbar sei. Doch Wigdorovits verströmte jenen Optimismus, den ein Projektleiter – verbunden mit der notwendigen Portion Autosuggestion – für ein solches waghalsiges Projekt benötigt.
Die Idee von 20 Minuten, dessen Titel gleich die gewünschte Lesedauer signalisierte, stammte aus Norwegen, doch schon bereits vor dessen Start stiess das Vorhaben auf grosse Widerstände, da man dahinter einen Frontalangriff auf die etablierten Verlage und deren Bezahlzeitungen vermutete. So lehnte Ringier – so wurde gemunkelt – eine Beteiligung aus moralischen Gründen ab. Am Ende war es dem Mutterhaus Schibsted und dem später verstorbenen Finanzier Ernst Müller-Möhl zu verdanken, dass 20 Minuten überhaupt starten konnte.
Doch der Start war überhaupt nicht einfach: Bereits nach einem Jahr verstarb Chefredaktor Urs Weber an einem Herzversagen. Der damalige Geschäftsführer und ehemalige Fussballnationalspieler Rolf «Eisenfuss» Bollmann kämmte den Markt nach potenziellen Werbekunden ab. Doch diese fremdelten – trotz des enormen Erfolgs auf dem Lesermarkt – anfänglich mit der neuen Zeitung. Erst als Swisscom Inserate schaltete, kam der Durchbruch. Dank einer brillanten, aber skrupellosen Strategie gelang es Tamedia-CEO Martin Kall 2005, 20 Minuten in das Tagi-Imperium einzuverleiben. Dies war ein Donnerschlag und in der Vor-Smartphone-Ära auch Signal, dass sich Medien einer jüngeren Leserschaft anpassen müssen, um langfristig überlebensfähig zu sein. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich 20 Minuten – mit Verlagsleiter Marcel Kohler und dessen Nachfolger Bernhard Brechbühl sowie den Chefredaktoren Marco Boselli, Gaudenz Looser und heute Désirée Pomper – zur Cashcow und auch – dank Peter Wältys Internetauftritt – zu einem Trendsetter innerhalb der Branche.
Gewiss, die Zeiten haben sich geändert: Der Durchbruch des Smartphones, aber auch Corona haben den Siegeszug von 20 Minuten beeinträchtigt. Doch publizistisch setzt das Medium mit seiner stringenten Berichterstattung Massstäbe. Dass diese weitaus besser ist als ihr Ruf, geschenkt. Vielmehr ist es ein Kompliment. Happy Birthday, 20 Minuten, auf weitere 25 Jahre!
Matthias Ackeret ist Verleger und Chefredaktor von persönlich und persoenlich.com.
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16.12.2024 13:38 Uhr
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Happy Birthday, 20 Minuten!