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Hilflose PR-Versuche

Das E-Mail beginnt mit einem unwiderstehlichen Angebot. «Sehr geehrter Herr Millius, ich denke, diese Jacken wären etwas für Ihr Magazin... was meinen Sie?» Die Formulierung der Frage macht es möglich, kurz und klar zu antworten: «Sehr geehrte Frau F., ich meine: Nein.» Um nicht unhöflich zu erscheinen, füge ich die Kontaktkoordinaten des Anzeigenverkaufs des Magazins bei. Dort gehört die Anfrage nämlich hin.

Zuschriften dieser Art kennt jeder, der eine Publikation betreut. PR-Agenturen versuchen im Auftrag ihrer Kunden, kommerzielle Angebote – in diesem Fall trendige Kinderjacken – in den redaktionellen Teil zu bringen. Das tun sie, indem sie uns mitteilen, dass das bewusste Produkt oder die Dienstleistung einmalig, herausragend und für die Leser höchst spannend ist. Der Bogen reicht von Bekleidung über Möbel und elektronische Gadgets bis zum Hotel im Tirol.

Dass Firmen daran interessiert sind, auf diese Weise in die Medien zu kommen, ist nachvollziehbar. Eine solche Präsenz ist kostenlos und zudem meist effektiver als ein Inserat. In der Realität kommt das aber selten zustande. Denn welchen Grund habe ich, die gute Frau F. und den Hersteller, für den sie tätig ist, mit solcher Gratiswerbung zu beglücken? In 99 Prozent der Fälle dürften Nachrichten dieser Art unbeantwortet bleiben oder in einer Absage münden. Die Menge an Einsendungen zeigt aber klar, dass es unverdrossen weiter versucht wird. Munter bezahlen Anbieter ihren PR-Agenturen viel Geld für ein aussichtsloses Unterfangen. Und das in Zeiten, wo aufgrund von Sparmassnahmen die Werbeetats reduziert werden.

Die Hilflosigkeit, mit der solche Versuche gestartet werden, überrascht. PR ist mehr als der Aufbau eines Verteilers mit Adressen von Redaktionen. Es ist ja durchaus möglich, dass sich hinter den bewussten Kinderjacken eine tolle Geschichte verbirgt. Vielleicht wurden sie von einem international gefeierten Künstler kreiert, möglicherweise werden sie von Hand von 80-jährigen ehemaligen Stickerinnen im Toggenburg gefertigt. Das weckt das Interesse von Schreibenden. Eine solche Story wird aber nicht geliefert. Stattdessen Angaben zur Qualität und zu besonderen Eigenschaften des Produkts. Ein Fall für einen Katalog, nicht für ein Magazin.

Natürlich wollen zahlende Kunden Resultate sehen. Und die gibt es manchmal auch. Das eine oder andere Magazin findet sich immer, das eine Lücke bei den «Tipps des Monats» oder einer ähnlichen Rubrik füllen muss und dann zu einem solchen Textangebot greift. Ob Aufwand und Ertrag der ganzen Übung für den Auftraggeber in einem gesunden Verhältnis stehen, ist die andere Frage. Beziehungsweise: Es ist eigentlich keine Frage.


Stefan Millius ist geschäftsführender Partner der Kommunikationsagentur insomnia GmbH in St.Gallen.

Der Autor vertritt seine eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 

 

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