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Keine Macht den Journalistinnen!

Filip Dingerkus

Nicht erst seit dem frauenfeindlichen Verhalten des aktuellen US-Präsidenten oder des polnischen EU-Abgeordneten ist die Debatte um Gleichberechtigung und Feminismus vs. Chauvinismus wieder neu entbrannt. Auf politischer Ebene wird auch in der Schweiz die Diskussion um Frauenförderung für viele Branchen bereits seit Längerem geführt. Regelmässig thematisieren Medien die Rechte der Frau, ihre Stellung in der Gesellschaft und berufliche Chancen. Doch wie sieht es in der eigenen Branche, also im Journalismus, aus?

Die kritische Auseinandersetzung mit dieser Frage ist umso wichtiger, als die Situation im Journalismus noch prekärer scheint als in anderen Berufen, wie eine aktuelle Untersuchung des Grimme Labs in Deutschland zeigt. Auch in der Schweiz flackert die Debatte immer mal wieder auf; unlängst wollten die Medienfrauen Schweiz wissen, warum sich Medienhäuser über ihre eigene Frauenförderung ausschweigen.

Gleichberechtigung hat weiterhin Nachholbedarf

Wie in vielen ökonomisch-getriebenen Unternehmen, zeigt sich sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz, dass Frauen in höheren Positionen auch in Redaktionen klar untervertreten sind. Es stellt sich die Frage, wie sich dieses Ungleichgewicht zum Ausdruck kommt und was die Ursachen dieser Diskriminierung sein können? Kurz lässt sich sagen, dass Gleichberechtigung im Journalismus sicherlich noch Nachholbedarf hat. Eine dramatische Situation wie sie die deutsche Untersuchung zeichnet, lässt sich für die Schweiz allerdings nicht bestätigen; vor allem dann nicht, wenn relevante Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Genau dies haben Forscher am IAM Institut für Angewandte Medienforschung der ZHAW in einer aktuellen Studie gemacht. Dennoch: wird nach verschiedenen Medientypen unterschieden, so gibt es lediglich beim öffentlichen SRG-Radio ein Geschlechtergleichgewicht. Auch im Onlinebereich arbeiten mit knapp unter 50 Prozent überdurchschnittlich viele weibliche Journalisten. Print-Medien, die SRG-Fernsehredaktionen und der Privatrundfunk sind hingegen weiterhin klare Männerdomänen; dort sind zwei Drittel männliche Angestellte.

Weiterhin männliche Häuptlinge

Des Weiteren zeigt sich, dass Führungspositionen in rund 3 von 4 Fällen von Männern besetzt werden.  Dies deutet auf eine diskriminierende Schieflage hin – allerdings nur auf den ersten Blick. Während Tages- und Wochenzeitungen mit 73 Prozent Männeranteil genau in diesem Schnitt liegen, gilt dies für Magazine beispielsweise nicht. Dort ist das Verhältnis beinahe bei 50/50. Ähnlich ausgeglichen sieht es auch im öffentlichen Radio aus. Die klaren Männerdomänen sind der Privat-Rundfunk und Onlinemedien, wo nur jede fünfte Führungsperson weiblich ist.

Die Babypause ist sicher ein wichtiger Grund für dieses Phänomen, wohl aber nicht der einzige. Die Mutterschaft bedeutet nämlich nicht selten auch den definitiven Abschied aus der Branche. Rückkehrerinnen in den Beruf gibt es wenige. Vermutlich gibt es auch andere Motive, warum Frauen ab 30 vermehrt dem Journalismus den Rücken kehren. Nebst den familienfeindlichen Arbeitszeiten, dem hohen Maß an Flexibilität und dem generell hohen Zeitaufwand den der Beruf auszeichnet, sind teils auch die auf Konkurrenz- und Machtstreben beruhende Kommunikationskultur mögliche Hindernisse für Frauen. Eine Tendenz, die auch Medienforscher wie das Team um Andy Kaltenbrunner aus Österreich bemerken.

Auf jeden Fall trägt der Mangel an erfahrenen Journalistinnen zum Missverhältnis in den Chefetagen bei. Während bei den unter 30-jährigen im Journalismus noch 54 Prozent Frauen arbeiten, liegt der Frauenanteil bei über 50-Jährigen sowie bei Medienschaffenden mit mehr als 12 Jahren Berufserfahrung nur noch bei 30 Prozent. Dieses Missverhältnis relativiert sich jedoch, wenn Gleiches mit Gleichem verglichen wird:  Setzt man nämlich nun die 25 Prozent Frauen in Führungspositionen den 30 Prozent erfahrenen Journalistinnen gegenüber, scheint statistisch gesehen nur noch eine geringe Bevorzugung von Männern für Kaderstellen erkennbar zu sein. Man könnte sogar so weit gehen und argumentieren, dass eine höhere Frauenquote zugleich Männer diskriminieren würde. Denn relativ zu ihrem Anteil gibt es in der Schweiz also ähnlich viele weibliche wie männliche Führungspersonen.

Lohnschere bleibt offen

Betrachtet man den Lohn, fällt der erste Eindruck zunächst ebenfalls extrem aus. Und insbesondere in einer Kategorie ist der Unterschied bemerkenswert gross. Vergleicht man aber zunächst den Durchschnittslohn aller Journalistinnen mit demjenigen aller männlichen Journalisten, verdienen Frauen im Schnitt 5‘100 Franken pro Monat, während Männer rund 1‘100 Franken mehr verdienen. Nun wissen wir aber auch, dass Frauen etwas häufiger Teilzeit arbeiten als Männer und Männer länger im Beruf verweilen, weshalb sie eine höhere Berufserfahrung aufweisen. Berücksichtigt man demnach nur die Vollzeitstellen, sowie diejenigen, die weniger als 6 Jahre Berufserfahrung haben, werden die Lohnunterschiede geringer: Frauen verdienen nun im Schnitt 4‘400 Franken, Männer dagegen 5‘100 Franken; der  Unterschied beträgt jedoch immer noch 700 CHF.

Männer sind zusätzlich stärker in höheren Positionen vertreten. Dieser Einfluss muss zusätzlich in die Rechnung mit aufgenommen werden. Ein geschlechtsbezogener Lohnvergleich ist also nur dann sinnvoll, wenn er innerhalb derselben Hierarchiestufen ansetzt. Vergleicht man (zusammen mit den vorherigen Kriterien) die Löhne in der Kategorie der Mitarbeitenden ohne Führungserfahrung, so kommen weibliche Journalisten auf einen Schnitt von 5‘000 Franken, während die männlichen Kollegen 5‘400 Franken verdienen. Eine statistisch ausgewiesene Diskrepanz herrscht also nach wie vor. Interessant sind die Unterschiede unabhängig von Alter und Erfahrung, wenn der Lohn nach Positionen für Vollzeitangestellte verglichen wird (siehe Tabelle). Eines wird deutlich: Frauen in höherem Kader verdienen praktisch gleich viel wie im Mittleren. Die Chefetage hat demnach den grössten Nachholbedarf, was die Löhne anbelangt. Lohngleichheit muss also weiterhin eine Forderung auf der Agenda für Gleichberechtigung bleiben.

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Doch eine weitere eher unscheinbare Einflussgrösse sollte man in dieser Diskussion nicht ausser Acht lassen.

Zutreffendes Klischee

Gibt es Ressorts, die besonders häufig von Frauen bevorzugt werden oder die Frauen besonders bevorzugen? Dieses Klischee hält sich hartnäckig: während der Sport mit über 90 Prozent eine absolute Männerdomäne ist und auch die Ressorts Politik und Wirtschaft mit rund 70 Prozent vorwiegend in Männerhand sind, arbeiten verhältnismässig mehr Frauen im Kultur- und Unterhaltungssektor, wie Lifestyle, Mode, Bildung und Freizeit. Und hier zeigt sich auch eine Besonderheit: In den Ressorts wie Politik und Wirtschaft wird deutlich mehr verdient. Und zwar unabhängig vom Geschlecht. Auch Männer müssen in Unterhaltungsbereichen, Kultur- und Sportressorts mit geringeren Löhnen, meist einige hundert Franken weniger, als ihre Polit- und Wirtschaftskollegen rechnen. Wenn es also darum ginge, Gleichberechtigung im Journalismus zu leben, wäre es nicht nur an der Zeit, die Lohnschere grundsätzlich zu schliessen, sondern auch eine grössere Durchmischung unter den Ressorts anzustreben.

Filip Dingerkus ist wissenschaftlicher Assistent am IAM der ZHAW. Den Text, der erstmals auf blog.zhaw.ch erschienen ist, hat er zusammen mit Vinzenz Wyss, Professor für Journalistik am IAM verfasst. 

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