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Lukas Bärfuss' Mutprobe

Irgendwann dürfte der Druck auf Lukas Bärfuss zu gross geworden sein: Friedrich Dürrenmatt feiert im Kino seine Wiederauferstehung, Max Frisch stürmt mit dem Abdruck seiner Fiche Bestsellerlisten. Und was macht deren selbsternannter Nachfolger? Er schweigt. Bis gestern Donnerstag. Dann macht Bärfuss das, was man von einem "Nationaldichter" erwarten darf, ja muss. Er schreibt über die Nation – und zwar in der deutschen "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" FAZ. Titel des Elaborates: "Schweiz ist des Wahnsinns".
 
Eines muss man Bärfuss lassen: Sein Text provoziert und wurde, sofern man den Kommentaren glauben darf, sogar gelesen. Bärfuss räumt in Schweizerischer Tradition auf, und das heisst: gründlich. Wobei der Sauberkeitsfimmel das einzige Schweizklischee ist, das er nicht verwendet. Dafür kommen das Bankgeheimnis, die FIFA, der Einkaufstourismus, die Geldgier, die SVP, die Migros und selbstverständlich Blocher zur Sprache.
 
Richtig "mutig" wird Bärfuss aber, wenn er sich mit den Medien anlegt: Da werden das Schweizer Fernsehen, das "Du", die NZZ, der "Schweizer Monat", der "Tages-Anzeiger", die "Basler Zeitung" und die "Weltwoche" unisono in den gleichen Topf geworfen. Als Verleger des "persönlich" kann man richtiggehend neidisch werden, wenn man in diesem "Who is Who" fehlt. Als Leser hingegen muss man froh sein, wenn Leute wie Bärfuss nie an die Macht kommen. Oder anders formuliert: Warum sind diejenigen, die dauernd nach Toleranz schreien, die Intolerantesten?
 
Eine schüchterne Frage zum Schluss: Als Mitarbeiter des Schauspielhauses Zürich ist Lukas Bärfuss vom Migros Kulturprozent, der Swiss Re und der Credit Suisse bezahlt, die allesamt "Partner", das heisst Sponsoren des Hauses sind. Wäre es nicht richtig mutig und konsequent, sich auch persönlich von dieser Last zu befreien?
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