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Medienkonferenzen sind ein Auslaufmodell

Wer schon Medienkonferenzen organisiert hat, kennt das Problem. Wenn es nicht gerade einen Finanzskandal oder einen überraschenden Stadtratsrücktritt zu kommunizieren gilt, locken solche Veranstaltungen kaum noch Medienschaffende aus den Redaktionsstuben. Das merkt auch die Stadt Zürich. 2024 wurden gut 30 Prozent weniger Medienkonferenzen organisiert als noch vier Jahre vorher.

Eine 2017 in der Masterarbeit von Markus Brotschi geäusserte These untermauert diesen Trend. Der Bundeshaus-Redaktor des «Tages-Anzeigers» stellte damals an einem Anlass der ZHAW – Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften – fest: «Medienkonferenzen haben deutlich an Bedeutung verloren.» Damit eine Konferenz besucht werde, sei laut seinen Aussagen mehr als ein vorgelesenes Referat nötig. «Es braucht politischen Sprengstoff oder die Anwesenheit einer wichtigen Persönlichkeit», so Brotschi.

Acht Jahre später hat sich die Medienwelt nochmals rasant verändert. Der Sparhammer ist bei allen Medienprodukten spürbar. Zeit ist Geld und das hat man nicht. Um trotzdem auf allen Kanälen präsent zu sein, hocken die meisten Journalistinnen und Journalisten meist vor ihren Computern. Rausgehen, also «an die Front» und zu den Leuten gehen, passiert immer seltener.

Dazu ein Beispiel. Vor den Ostertagen lud das überparteiliche Komitee gegen die geplante Senkung der Unternehmenssteuern im Kanton Zürich, die am 18. Mai an die Urne kommt, zu einer Medienkonferenz. Dabei waren der Stadtzürcher Finanzvorsteher Daniel Leupi (Grüne), der Winterthurer Finanzvorsteher Kaspar Bopp (SP), SP-Kantonsrätin Hannah Pfalzgraf, Mitglied der Finanzkommission, sowie der Unternehmer und EVP-Kantonsrat Donato Scognamiglio. Es traten ohne Zweifel keine «No Names» auf. Trotzdem tauchten nur drei Medienvertreterinnen und -vertreter auf. Für die Organisatoren eine mittlere Katastrophe. Entsprechend mager war das Medienecho.

Dass keine Onlinemedien über den Anlass des Nein-Komitees berichtet hatten, war wohl der Tatsache geschuldet, dass vom Nein-Komitee weder eine Medienmitteilung noch Bildmaterial verschickt worden ist. Gerade für Onlinemedien ist das existenziell, um über Gewesenes zu berichten. Der Termin war zudem ohne Zweifel schlecht getimt, am Gründonnerstag um 13 Uhr.

Immerhin: Medienkonferenzen der Stadt Zürich werden in der Regel mit einer guten Medienmitteilung begleitet, inklusive Zitaten und oft auch Fotos der Veranstaltung. Voraus ist da der Stadt höchstens noch der Kanton Zürich, der seine Medienkonferenzen meist als Livestream überträgt.

Trotzdem ist die Medienresonanz – dies als Einschub – oft mager. Grund: «Tages-Anzeiger» und NZZ bauen ihre regionale Berichterstattung spürbar ab, «20 Minuten» etwa setzt mehr auf Boulevard und Unfallmeldungen. Das Lokalmedium Tsüri nutzt zumindest bei seinem täglichen Newsletter vor allem Artikel von anderen Medien. Tapfer und treu sind Tele Top sowie das Regionaljournal von SRF, die an vielen Medienkonferenzen präsent sind.

Es ist also völlig logisch, dass die Stadt Zürich quasi freiwillig auf Medienkonferenzen verzichtet. Nur schon die oft länglichen und abgelesenen Vorträge sind aus der Zeit gefallen. Hinten leuchtet die aufwendig gepinselte PowerPoint-Präsentation auf. Man wähnt sich bei einem Meeting in einem Grossunternehmen. Gerade für elektronische Medien ist es oft eine Qual, eine Stunde oder mehr einfach zuzuhören, bevor die Phase mit den individuellen Interviews losgehen kann.

Häufig herrscht bei den Organisatorinnen und Organisatoren Unverständnis darüber, warum so wenig Medienecho erzeugt wird. Doch Untersuchungen zeigen, dass die Anzahl Medienverantwortlicher bei Firmen und beim Staat stark zunimmt, während es immer weniger Medienschaffende hat. Der Vorteil ist, dass das Medienmaterial tendenziell besser wird. Ein Kränzchen winden kann man da der Universität Zürich oder dem Zoo Zürich. Deren Medienmitteilungen sind fast immer verständlich geschrieben. Der Zoo überzeugt natürlich zusätzlich mit tollen Tierfotos.

Nach wie vor werden Medienkonferenzen aber auch als Event nach innen abgehalten. Man gibt den Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern die Möglichkeit, sich vermeintlich im Scheinwerferlicht zu sonnen. Nur halt je länger, je mehr ohne Publikum.

Fazit: Weniger ist mehr. Lieber dann zur Medienkonferenz laden, wenn man wirklich den direkten Draht zu den Journalistinnen und Journalisten braucht. Vielleicht weil das Thema so kritisch oder so kompliziert ist. Wer vor Ort einlädt, muss auch was bieten. Und damit sind nicht Kaffee oder ein Apéro gemeint. Je weniger Ressourcen Medienschaffenden zur Verfügung stehen, desto wählerischer werden sie.


Lorenz Steinmann (59) ist Journalist in Zürich und betreibt zusammen mit Pascal Turin (36) das Politikmagazin www.rathuus.ch. Dort ist dieser Artikel in ausführlicherer Form eben erschienen. Steinmann war früher auch auf der «anderen Seite tätig», in der Kommunikation der Stadt Zürich und bei einer NGO.

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