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Moritz Leuenberger revolutioniert das Internet

Roger Schawinski

Er ist ein Genie! Er hat mit einem einzigen Federstrich das grösste Medienproblem der Welt gelöst. Überall verzweifeln Verleger an der Knacknuss Internet, weil sich einfach kein überzeugendes Geschäftsmodell finden lässt. Gratis läuft viel zu wenig, mit Paid Content fast nichts, und auch bei andern Einnahmemodellen ist man gescheitert. Und nun kommt unser Medienminister mit einer Idee, auf die selbst die Internetzensoren in China noch nicht gekommen sind. Sein revolutionärer Ansatz: Wir kümmern uns gar nicht mehr um die User. Wir holen das Geld einfach von allen. Sogar von Leuten, die gar keinen Computer haben! Das bringt mehr Kohle. Und dies ganz einfach. Und er liefert die Argumente für sein neues SRG-Gebührenprinzip. Da die SRG ihre Inhalte auch über Internet und Handy verbreitet, sei diese Zwangsabgabe rechtens, sagt er. Vielleicht könnten diese ewigen Nörgler einwenden, dass die hervorragenden Programme unserer Monopolanstalt nicht immer der Hauptgrund für den Kauf eines Computers sind. Oder dass niemand die SRG verpflichtet hat, sich voller Power in diesem Medium auszubreiten. Oder dass man sich die Einnahmen direkt bei den Internet-Usern der eigenen Inhalte holen könnte, so wie es andere Medienhäuser versuchen. Aber das wären natürlich alles blosse Krücken im Vergleich zum Leuenberger- Knaller. Allerdings machen einige seiner Aussagen etwas stutzig. So etwa als er erklärte, dass ein Systemwechsel deshalb notwendig sei, weil heute im Gegensatz zu früher 70 Prozent des Fernsehkonsums nicht mehr auf die SRG, sondern auf ausländische TV-Sender entfallen würden. Mein erster Gedanke war, dass er damit meinte, dass er die Gebühren neu gemäss dem echten TV-Konsum verteilen wolle. Doch da dies für die SRG keine besonders vorteilhafte Lösung wäre, lag ich wohl falsch. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich bis heute nicht darauf gekommen bin, was er uns wirklich mitteilen wollte. Und dann schwang er sich wie so oft in mystische Sphären empor, als er die Nichtbenützer von Radio und Fernsehen als «rein» bezeichnete. Dies heisst, dass alle anderen «unrein» sind – selbst die Zuschauer seiner Botschaften. Weil sie durch den «Abfall» der Medien (O-Ton unseres Medienministers) nicht verunreinigt sind, sollen nun also sie, die letzten Reinen der Schweiz, auch blechen. Bakom-Chef Martin Dumermuth sekundierte, dass die neu erhobenen SRG-Gebühren um bis zu 100 Franken pro Jahr sinken könnten. Bevor die Begeisterungsstürme überschwappen, hier eine klitzekleine Anmerkung. Nach Schätzungen bezahlen heute etwa 95 Prozent der Schweizer SRG-Gebühren. Wie sollen die Gebühren durch das Abkassieren bei den versprengten 5 Prozent Reinen um fast 20 Prozent sinken? Das metaphysische Rätsel löst sich auf einfache Weise. Da man mit einer gewissen Sicherheit davon ausgehen darf, dass sich die SRG nicht mit weniger Gebühren als heute zufrieden geben wird, holt man sich den als Lockvogel präsentierten Hunderter eben auf andere Weise. Da neu auch Kleinbetriebe bezahlen sollen, werden viele von uns eben doppelt abgezockt. Und für all diese wird aus einer Preisreduktion von 100 Franken – rechne – eine Preiserhöhung von 262 Franken. Statt einmal 462 zahlt man neu einfach zweimal 362 Franken. Und damit ist dieser Vorschlag ein unvergleichliches Gesamtkunstwerk. Das Internet wird weltweit erstmals zu einem kostenpflichtigen Medium. Die Reinen werden abgezockt, und aus einer Preisreduktion wird ein massiver Aufschlag. Wenn es demnächst einen Swiss Schlaumeier-Award geben sollte, ich wüsste, für wen ich stimmen würde.
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