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Neun Punkte aus Sicht der Krisenkommunikation

Markus Baumgartner

Die Ereignisse um den Untergang der Credit Suisse erinnern an das Grounding der Swissair. Ein international bekanntes Schweizer Unternehmen existiert plötzlich nicht mehr. Die Situation betrifft wiederum viele. Es tut uns leid für alle Mitarbeitenden, die wegen des Niedergangs der Credit Suisse um ihre Stelle bangen müssen.

Hier sind neun Punkte zur Schweizer Bankenkrise aus Sicht der Krisenkommunikation:

1. Krisenkommunikation braucht Vertrauen

Die vielen Skandale der letzten Jahre haben die Reputation der Credit Suisse mehr und mehr zerstört. Auch wenn man am Schluss den beiden Kapitänen CEO Ulrich Körner und VRP Axel Lehmann den Turnaround der Credit Suisse zugetraut hat, konnten sie die Credit Suisse nicht aus dem dunklen Schatten der Vergangenheit befreien. Beide sind zweifellos qualifizierte Manager, haben es aber durch mangelnde und nicht adäquate Kommunikation verpasst, neues Vertrauen aufzubauen beziehungsweise zu schaffen.

2. Krisenkommunikation braucht gute Kommunikationsberatung

Es ist nicht immer einfach für Kommunikationsleute, sich gegenüber dem Verwaltungsrat oder der Geschäftsleitung durchzusetzen. Denn immer wieder zeigen sich Führungskräfte «beratungsresistent» und ziehen ihre Sache einfach durch. Dies, obwohl sie hochqualifizierte interne oder teilweise externe Kommunikationsberater haben. Wenn es um Kommunikation geht, haben viele plötzlich das Gefühl, dass sie auch in diesem Bereich Experten sind. Gerade in der Krisenkommunikation geht es zwar um Fakten, damit keine Spekulationen entstehen, aber es geht eben – wie hier bei der Credit Suisse – nicht nur um nackte Zahlen, sondern um Emotionen und Verständnis und oft auch um den Blick von aussen, wenn man sich selbst nur noch im Hamsterrad dreht.

3. Krisenkommunikation braucht vertrauenswürdige und empathische Köpfe

Wie wichtig dieser Krisenkommunikations-Grundsatz ist und dass der Erfolg oder Misserfolg davon abhängt, zeigt sich an den verschiedenen Exponenten der aktuellen Situation. Bundesrätin Karin Keller-Sutter hatte es in der kurzen Zeit seit ihrem Wechsel ins Finanzdepartement nicht einfach, auf Anhieb Glaubwürdigkeit zu vermitteln. Kommt hinzu, dass ihr Vorgänger Ueli Maurer gesagt hatte, dass die Credit Suisse die Wende aus eigener Kraft schaffen könne. Ihr persönliches Beispiel als Credit-Suisse-Kundin war unsensibel. Die allermeisten Mitarbeitenden verfügen nicht über die finanzielle Sicherheit eines Mitglieds der Landesregierung. Bei der Credit Suisse sind die Köpfe von CEO Ulrich Körner und VRP Axel Lehmann aus eigenem Verschulden zu wenig bekannt. Sie haben es verpasst, neben ihrer Arbeit «im Hintergrund» nach aussen Vertrauen aufzubauen und die Kundinnen und Kunden von ihrem Weg zu überzeugen. Das braucht Zeit und geschieht nicht von heute auf morgen. Und Finma-Präsidentin Marlene Amstad konnte sich im Vorfeld der Krise kaum Profil verschaffen.

4. Krisenkommunikation braucht Empathie und Emotionen

Das ist in der Finanzbranche eher schwierig, aber sicher nicht unmöglich. Der Auftritt von Axel Lehmann war technokratisch und zeugte von mangelnder Selbstkritik. Gerade eben wurde der Untergang eines der Wahrzeichen der Schweizer Wirtschaft kommuniziert, und er als VRP bringt kein Wort der Entschuldigung über die Lippen. Dass er kein Schuldeingeständnis macht, ist aus juristischer Sicht nachvollziehbar, aber wenigstens in diesem Moment sollte er an seine Mitarbeitenden und Kunden denken, deren Arbeitsplatz und Geld er vernichtet hat. In diesem Augenblick zählen nicht mehr nur Milliarden, sondern vor allem auch Menschen. Zudem stellt sich offenkundig die Frage, wer ihm die Worte «Ich bin überzeugt, dass die neue Lösung nachhaltige Stabilität und Sicherheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bringt.» aufs Papier geschrieben hat. Diese Aussage zeigt, dass er kaum darüber reflektiert hat. Dasselbe gilt für die Ankündigung, dass sich sämtliche Angestellten mit aller Energie für den Prozess des Zusammenschlusses mit der UBS einsetzen würden. Wenn so viele Arbeitsplätze verloren gehen werden, ist eine solche Aussage weltfremd beziehungsweise einfach lächerlich.

5. Krisenkommunikation braucht Vorbereitung

Eine Krise hält sich nie an einen geregelten Ablauf oder Prozess. Viele unvorbereitete Tasks grätschen von allen Seiten auf die Verantwortlichen ein und sind schwer zu koordinieren. Unternehmen tun daher gut daran, mögliche Krisen vorzubereiten mit Texten, Dark Sites oder Checklisten – dies immer in der Hoffnung, dass sie diese Dokumente und Kanäle nie brauchen werden. Denn es müssen sich alle bewusst sein, dass Krisenkommunikation längst keine Episodenaufgabe mehr ist, sondern zur Daueraufgabe geworden ist. So ist zu hoffen, dass die kurzfristige «persönliche» Einladung zu einem Informationscall der Credit-Suisse-Führungsriege (erst zehn Tage nach dem Knall), die ganz unpersönlich mit nur «sehr geehrte Kundin, sehr geehrter Kunde» in der Anrede – ohne Namen! – verschickt wurde, nicht der erste Kontakt zu den «geschätzten» Kunden war. Es dürfen sich alle Adressaten mit Recht fragen, ob man sie nur beim Namen kennt, wenn es um Gewinn geht, und sie in der Krise zum Neutrum werden.

6. Krisenbewältigung braucht glaubwürdige Träger

Der kurzzeitige Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse, António Mota de Sousa Horta-Osório, versprach, einen neuen Verhaltenskodex einzuführen, hielt sich aber selbst nicht daran. Für die Mitarbeitenden wurde es so noch schwieriger, an ihre Führung zu glauben. Und entsprechend blieb die Kultur der unstillbaren Risikofreude erhalten.

7. Nach der Krise ist vor der Krise

Die Skandale der CS und auch anderer Banken weltweit zeigen es immer wieder: Aus Krisen wird nicht oder zu wenig gelernt. Es reicht nicht, vergangene Fehler zu analysieren und dafür die Schuldigen zu benennen. Entscheidend ist es, aus dem Fehlverhalten wirklich etwas lernen zu wollen, damit wenigstens nicht in immer wieder dieselben Fettnäpfe getreten wird. Das bedeutet im Klartext: Krisen müssen nicht nur verarbeitet, sondern auch antizipiert werden. Hierfür ist ein gut verankertes und implementiertes Issue Management von Nöten. Zudem ist es wichtig, mögliche zukünftige Krisenszenarien live und nicht nur in der Theorie durchzuspielen. Dabei genügen die internen Prozesse und Personen nicht. Es braucht den Blick von aussen, der ungeschönt und ohne Rücksicht auf die eigene Karriere ein Spiegelbild vermittelt – und im Klartext sagt, was geändert werden muss. Nicht umsonst empfinden die Betroffenen einer Krise das Ereignis oft als «überraschend», während Dritte es längst kommen sahen.

8. Krisenprävention dank guter Unternehmenskultur

Wir möchten nicht weiter auf die Unternehmenskultur eingehen. Doch mit einer vertrauensvollen, ehrlichen, offenen Unternehmenskultur kann man zwar nicht jede Krise verhindern, aber es ist eine der besten Krisenpräventionen. Und auch hier gilt: Oftmals hilft es, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen, denn der Blick von aussen ist oftmals Gold wert.

9. Boni brauchen nachhaltiges Kriteriendenken

Zum Schluss noch ein Wort von Ethiker Prof. Dr. theol. Peter G. Kirchschläger zu den Anreizen, die von der Credit Suisse Boni-Kultur gesetzt werden: «Es gilt zu prüfen, Boni nicht einseitig an ökonomische Kriterien, sondern auch an Sozial- und Nachhaltigkeitsstandards zu koppeln. Dies, um ethisches und verantwortungsvolles Entscheiden und Handeln zu würdigen und zu belohnen. Es nimmt schon fast schizophrene Züge an, wenn ein Unternehmen mit aufwändigen Kommunikations- und Werbemassnahmen dauernd hervorstreicht, wie wichtig ihnen Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind. Und dies auch in Hochglanzbroschüren verbreitet. Gleichzeitig spielen ethische Kriterien bei den Boni offenbar keinerlei Rolle.»



Markus Baumgartner ist Präsident des Schweizer Verbandes für Krisenkommunikation (VKK).

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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Kommentare

  • Roman Kappeler, 04.04.2023 11:34 Uhr
    Spannende Punkte zur Krisenkommunikation. Die "Positionierung" von vertrauenswürdigen Köpfen braucht Zeit aber vor allem vertrauenswürdige Köpfe. Diese Eigenschaft müsste bei der Evaluation von Führungskräften immer eine grössere Rolle spielen.
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