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Nicht Biden siegte, sondern Trump verlor

Louis Perron

Wer eine Wahl gewinnt, hat im Wahlkampf nicht zwingend alles richtig gemacht. Wer verliert, nicht unbedingt alles falsch. Manchmal sind die Umstände so, dass man trotz einer mittelmässigen Kampagne gewinnt oder eben auch eine hervorragende Kampagne nicht ausreicht für einen Sieg.

Diesbezüglich sind die letzten US-Wahlen, die nun fast ein Jahr zurückliegen, ein interessanter Fall. Während der Wahlnacht überraschte, dass Donald Trump besser abschnitt als allgemein erwartet wurde. Bald nahm man an, dass es Joe Biden wohl trotzdem für einen Sieg reichen würde, aber sicher war es erst Tage später. Ergo hielten sich (eben nicht wie sonst) vorerst alle mit Schlussfolgerungen über die Kampagne zurück.

Als dann später all die Insiderberichte und Bücher über die Kampagne von Joe Biden publiziert wurden, fand ich diese wenig überzeugend. Sicher haben Joe Biden und sein Team einiges richtig gemacht: Sie haben beim dominanten Thema Coronavirus Kontrast zu Trump gezeigt und geografisch die richtige Zielgruppenstrategie konsequent umgesetzt. Und trotzdem: Eigentlich ist es eher so, dass Donald Trump die Wahl verloren hat, als dass Joe Biden sie gewann. Und das ziemlich knapp, denn schliesslich gaben 43’000 Stimmen in drei Bundesstaaten (Georgia, Arizona, Wisconsin) den Ausschlag.

Das ist umso bedenklicher, wenn man sich vor Augen führt, dass….

– Donald Trump die Coronakrise katastrophal gemanagt hat.

– er einen Grossteil seiner Amtszeit damit verbrachte, die Mehrheit, die nicht für ihn gestimmt hatte, zu verärgern und vor den Kopf zu stossen.

– es ihm nie gelang, Joe Biden so kohärent negativ zu definieren wie vier Jahre früher Hillary Clinton.

– die Kampagne operativ katastrophal gemanagt war und ihm trotz Hunderten von Millionen am Schluss das Geld ausging.

Oder anders und (nur wenig) überspitzt gesagt: Wenn Donald Trump im Wahlkampf auch nur etwas richtig gemacht hätte, wäre er heute im Weissen Haus.



Dr. Louis Perron ist Politologe, TEDx-Speaker und Politberater aus Zürich in der Schweiz.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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