BLOG

Nur die halbe Wahrheit

Min Li Marti

Die Untervertretung von Frauen in politischen Sendungen sorgt immer wieder für Gesprächsstoff. Vor kurzem hat «Club»-Redaktionsleiterin Barbara Lüthi selber den Frauenmangel in ihrer Sendung thematisiert. Sie wollten ja Frauen einladen. Aber es sei leider nicht einfach. Die Kurzfassung: Es hat weniger Frauen, und jene wenigen sagen häufiger ab. Weil sie sich nicht exponieren wollen oder sich den Auftritt weniger zutrauen. Wer je für ein Podium Teilnehmerinnen gesucht hat, kann das bestätigen. Es ist also nicht ganz falsch, was Lüthi da schreibt. Aber auch nur halb richtig.

Bildschirmfoto 2018-11-04 um 09.44.12

Sie hätten den Anspruch, so schreibt Lüthi, die «jeweils kompetentesten Personen zu einem Thema einzuladen.» Und weil Frauen unterrepräsentiert sind in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft, sind es dann auch weniger in der Sendung. Das klingt total einleuchtend, ja natürlich. Man fragt sich aber, warum beispielsweise Andreas Thiel zu einer Sendung über den Islam eingeladen wurde. Vielleicht, weil Kompetenz eben doch nicht der einzige Faktor ist? Sondern eben auch der Aufreger- und Bekanntheits-Faktor. «Ihre Position ist zu differenziert», wurde einer Ratskollegin beschieden, die dann eben nicht in die «Arena» eingeladen wurde. Ebenfalls nicht eingeladen – diesmal in den «Club» – wurde eine Vizefraktionschefin, die vom Fraktionschef angegeben wurde. Zu wenig Erfahrung. Sie hätte, twittert die Aargauer Grossrätin Marianne Binder, dem «Club» und der «Arena» in ihrer damaligen Funktion als CVP-Kommunikationschefin mehrfach Heidi Z'graggen, die heutige Bundesratskandidatin, vorgeschlagen. Sie wurde nicht eingeladen. Zu unbekannt. Und so geht es der Mehrheit der Politikerinnen in diesem Land. Die Katze beisst sich in den Schwanz.

Das beste Beispiel dafür: Die Bundesratswahlen. Die Sonntagspresse überbot sich darin, den Bundesratskandidatinnen der CVP kollektiv die Qualität abzusprechen. Geheimpläne für bessere Kandidaten (natürlich Männer) wurden ins Spiel gebracht. Kronzeugen dafür waren allerdings jene, die im realen Leben niemals in die Nähe eines Geheimplans kämen, wenn es denn einen geben würde. Denn Medienpräsenz hat oft nichts mit realem Einfluss zu tun. Mit Kompetenz auch nicht.

Es hilft auch, sich selber an der Nase zu nehmen. Beispiel: Über 70 Prozent derjenigen, denen ich auf Twitter folge, sind Männer. Bei den Podien hingegen, klappt es heute. Weil eine angemessene Vertretung von Frauen für mich selbstverständlich ist. Und es geht auch anderswo. Ich war sogar schon zu einem Tech-Thema auf einem All-Female-Panel. Und war wie immer, wenn die Frauen in der Überzahl sind, angenehm überrascht, dass ich den ersten Satz ganz aussprechen konnte, ohne dass mir gleich reingeredet wurde.

Journalisten und Politikerinnen glauben oft, eine Diskussion ohne Rambazamba, ohne Gebrüll und Konfrontation sei langweilig. Dabei werden davon oft gerade Frauen – ob auf dem Podium oder im Publikum – abgeschreckt. Es ist richtig, dass sich die «Club»-Redaktion Gedanken macht zum Frauenanteil. Noch besser wäre es, wenn sie sich eine Vorgabe machen würden. Ein Schnitt von 35 Prozent statt 25 Prozent wäre machbar. Das bedeutet aber, dass auch mal eine unbekannte oder unkonventionelle Frau einen Auftritt erhält. Ein Risiko vielleicht. Aber eines ist klar: Die Kompetenz leidet sicher nicht.

Kommentar wird gesendet...

Kommentare

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Die neuesten Blogs

13.04.2024 - Hansmartin Schmid

Die Schweizer Medien und die Kriege

Die Schweizer Auslandberichterstattung ist in deutsche Hände geglitten.

Zum Seitenanfang20240425