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Ringiers Management-Pay-out

Roger Schawinski

Es ist das grosse Drama von Ringier: Seit Jahrzehnten versucht man, sich vom wenig prestigereichen Boulevard-Image etwas zu lösen. Doch alle Versuche gingen schief. Das ambitiöse Magazin Woche unter der Leitung von Hanspeter Lebrument und Frank A. Meyer war ein Rohrkrepierer. Später bemühte man sich um die damals noch reputierte Weltwoche und glaubte sich schon am Ziel, doch wegen eigener Nickeligkeiten in den Schlussverhandlungen wurde man kurz vor Unterschrift abgefangen. Dann kaufte man sich den Bund, um aus dem traditionellen Berner Blatt eine zweite NZZ zu machen, doch auch hier bewies man wenig Fortüne und musste die ausgehungerte Braut bald weiterreichen, um den finanziellen Schaden irgendwie einzugrenzen.

Auch in Osteuropa, wo man früh expandierte, konzentrierte man sich auf die Kernkompetenz, den harten Boulevard. Doch dann ergab sich endlich eine Möglichkeit, sich mit der ersehnten Aura von seriösem Journalismus zu schmücken – und dies ausgerechnet in Europas Grossstadt Berlin, wo sich Chefpublizist Meyer nach den Borer-Turbulenzen niedergelassen hatte. Man gründete Cicero, das als intellektuelles Monatsmagazin für die deutsche Elite lanciert wurde.

Berlin sollte der Humus sein, auf dem man diese ambitiöse publizistische Pflanze wahrnehmen würde. Cicero sollte aber nicht nur das Renommee von Michael Ringier befördern, sondern war auch als gesellschaftliches Trampolin für Zuzüger Frank A. Meyers öffentliche Wahrnehmung in der deutschen Hauptstadt konzipiert. Abgerundet wurde diese Qualitätsoffensive mit dem Kulturmagazin Monopol, das den Interessen des kunstsinnigen Verlegers besonders entsprach. Doch auch diese Expedition ins Seriöse führte ins finanzielle Abseits.

So hat Ringier die beiden Magazine, die pro Jahr mehr als zwei Millionen Defizit eingefahren haben, vor Kurzem offiziell in einem «Management-Buy-out» losgeschlagen, wobei dies ein euphemistischer Begriff für den tatsächlichen Vorgang ist, weil deutsche Medienjournalisten einen Verkaufspreis von null Euro und eine zusätzliche Anschubfinanzierung für die neuen Eigner vermeldet haben. Das heisst, es war in Wirklichkeit ein «Management-Pay-out».

Offenbar war dies nach mehreren vergeblichen Anläufen die einzig verbliebene Lösung, mit der sich Ringier bei seinen Prestigeobjekten ohne öffentlichen Kladderadatsch aus der Verantwortung stehlen konnte. Als erste Massnahme haben die neuen Besitzer die Zahl der Mitarbeiter beinahe halbiert, von 37 auf 20. Dies ist ein bekanntes Muster in solchen Situationen.

Dies war auch bei der Weltwoche so. Als Chefredaktor kämpfte Roger Köppel todesmutig gegen alle Personalreduktionen. Kaum war er Verleger, ordnete er einen Kahlschlag in der Redaktion an. Viele Seiten seiner SVP-Postille lässt er sich inzwischen von pensionierten und damit kostengünstigen Kolumnisten füllen, die sich geschmeichelt fühlen, wenn sie sich ohne Rechercheaufwand äussern können.

Die jährlichen mehr als zwei Millionen Miese bei Cicero und Monopol waren für CEO Marc Walder schon seit Jahren nicht mehr tragbar. In der heutigen Ringier-Transaktionsportal-Welt liess eine Güterabwägung nun offenbar keine andere Entscheidung zu, vor allem auch, weil sich bei Cicero die Auflage in den letzten Jahren massiv reduziert hat. FAM soll dort weiter seine Kolumnen schreiben, wurde zusätzlich berichtet. Ob dies ein integraler Teil des Deals war, wurde hingegen nicht kommuniziert. Aber man mag ruhig davon ausgehen, auch wenn Meyers Stimme im Ringier-Konzern schon gewichtiger war.

Ist Ringier heute deshalb wieder ein reiner Boulevard-Verlag? Vielleicht wäre eine solche Schlussfolgerung zu kurz gegriffen. Denn zurzeit ist es erklärte Strategie des neuen Blick-Obermachers Wolfgang Büchner, diese Marke vom klassischen Boulevard weg und in respektablere Gewässer zu steuern. Als Vorbild wurde Spiegel Online genannt, wo Büchner früher wirkte. Das wäre dann aber der mit Abstand ernsthafteste Versuch von Ringier, sich ausserhalb des Boulevards zu betätigen – nämlich erstmals in seinem verbliebenen journalistischen Kerngeschäft. Und damit wäre es auch der mit Abstand risikoreichste.

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