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Taktlose Fragen an die Bundesrätin

Michèle Widmer

Medienministerin Simonetta Sommaruga tritt überraschend und aus persönlichen Gründen zurück. Die Worte, die Uvek-Vorsteherin an der Medienkonferenz am Mittwochnachmittag wählte, waren emotionsgeladen und selten für eine Person in ihrem Amt: «Es ist ein Einschnitt, nach dem ich nicht einfach gleich weitermachen kann wie bisher.» Und: «Ich will die Schwerpunkte in meinem Leben anders legen.» Der Hintergrund: Ihr Ehemann hatte vorletzte Woche einen Schlaganfall erlitten. Daraufhin fiel die Bundesrätin für mehrere Tage aus.

Die Fragen, die sich Sommaruga an der Medienkonferenz in Anbetracht ihrer persönlichen Situation von Journalistinnen und Journalisten anhören musste, waren teilweise taktlos. Sie sei federführend dabei, die Bevölkerung in der Energiekrise durch diesen Winter zu bringen, sagte einer. Es hinterlasse Fragen, dass sie nun just in diesem Winter das Amt niederlege.

Eine Journalistin fragte Sommaruga bereits, was sie rückblickend auf ihre Zeit im Bundesrat bereue oder anders gemacht hätte. Aufgewühlt antwortete die Medienministerin: «Ich habe persönlich in den letzten Tagen sehr viel durchgemacht. Diese Frage stellte sich mir nicht.»

In die Kategorie unverschämt zählt für mich folgende Frage: «Dieser Einschnitt hat sehr viel in Ihnen ausgelöst. Haben Sie sich vielleicht zuvor zu wenig Freizeit genommen?» Ein Affront an eine Frau, die seit zwölf Jahren im Bundesrat sitzt. Hätte sie sich regelmässig Auszeiten gegönnt, wäre sie sicherlich genau dafür kritisiert worden.

Für mich stellt sich in erster Linie die Frage: Wie viel Mensch darf ein Mitglied der Bundesregierung sein? Hätten sich die Journalistinnen und Journalisten diese Frage zuvor gestellt, hätten sie ihre Fragen vielleicht etwas anders formuliert.



Michèle Widmer ist Redaktionsleiterin von persoenlich.com.

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Kommentare

  • Edith Aepli, 03.11.2022 10:55 Uhr
    Frau Widmer, mit Ihrem Beitrag sprechen Sie mir aus dem Herzen.
  • Ueli Custer, 03.11.2022 06:38 Uhr
    Ich sehe das genau gleich. Einige Journalistinnen und Journalisten liessen tatsächlich jegliche Empathie vermissen und stellten Fragen, die ich auch als schlicht unverschämt taxierte.
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