Auf der Suche nach funktionierenden Geschäftsmodellen blicken Medienunternehmen aus Kontinentaleuropa gerne Richtung Norden. Erst kürzlich konnte man in der NZZ lesen, warum in Skandinavien Onlinemedien florieren.
Besonders und bereits seit Jahren liefert das norwegische Unternehmen Schibsted Beispiele für «Best Practices», jenes Medienhaus, das in der Schweiz mit der Gründung von 20 Minuten nachhaltig Spuren hinterlassen hat.
Nun liefert Schibsted Anschauungsunterricht, wie man ein modernes Medienhaus nachhaltig aufstellt, das in so unterschiedlichen Geschäftsfeldern tätig ist wie digitale Marktplätze und redaktionelle Medien. Seit dem 8. Juni 2024 figurieren die Zeitungen und Onlinemedien im neuen, eigenständigen Unternehmen Schibsted Media.
Ende 2023 hatte die Konzernleitung beschlossen, traditionsreiche Titel wie Aftenposten, VG, Aftonbladet oder Svenska Dagbladet, aber auch jüngere Onlinemedien wie Omni oder E24 dem Tinius Trust zu verkaufen. Die nach dem letzten Spross der Gründerfamilie benannte Stiftung bleibt gleichzeitig der grösste Aktionär der digitalen Marktplätze von Schibsted.
Mit diesem Schritt trennt das Unternehmen die beiden Geschäftsfelder und nimmt damit Rücksicht auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der beiden Geschäftsfelder am Markt. Bei Medieninvestitionen könne man mit der Stiftung eine viel langfristigere Perspektive haben. Das sei bisher eine Herausforderung gewesen, «denn als börsennotiertes Unternehmen ist man oft eher kurzfristig orientiert», sagte Ole Jacob Sunde, Vorsitzender des Tinius Trusts in einem Podcasts anlässlich des Trennungsentscheids. Die Geschäftsführerin der neuen Schibsted-Medien, Kjersti Løken Stavrum, hält eine Stiftung für «eine geeignete Eigentumsform für redaktionelle Medien, die sowohl als Geschäft funktionieren müssen, aber auch eine bedeutende gesellschaftliche Mission haben.»
Bereits vor 24 Jahren las man in der Schweizer Wirtschaftspresse: «Tamedia vergleicht sich gern mit der norwegischen Schibsted». Tatsächlich gibt es bis heute viele Parallelen und personelle Verbindungen zwischen den beiden Unternehmen. Nicht nur, dass Tamedia (und später die TX Group) die von Schibsted in der Schweiz lancierte Gratiszeitung 20 Minuten zu einer der erfolgreichsten Medienmarken entwickelt hat. Auch stehen beide Unternehmen auf den beiden Standbeinen Medien und Marktplätze – mit dem Unterschied, dass bei der TX Group die beiden Bereiche weiterhin der gleichen Geschäftslogik unterliegen als Teil eines börsennotierten Unternehmens. Mit den bekannten Konsequenzen für Tamedia-Titel wie Tages-Anzeiger, Berner Zeitung oder Tribune de Genève. Abbau folgt auf Abbau, auch um die Gewinnmarge zu erhöhen. Zuletzt wurde bekannt, dass 90 Vollzeitstellen auf den Redaktionen gestrichen werden sollen (persoenlich.com berichtete).
Eine Neuorganisation nach norwegischem Vorbild könnte die gebeutelten Medien vom permanenten Spardruck entlasten und ihnen etwas Luft und Ruhe verschaffen während der kritischen Übergangsphase vom Print- zum Digitalgeschäft. Doch dazu müsste insbesondere die historische Eigentümerfamilie Coninx Hand bieten, die immer noch einen Grossteil der Aktien hält. Sie müsste ein Gefäss schaffen wie den Tinius Trust, der die Schibsted-Medien aus der bisherigen Unternehmensstruktur herausgekauft hat. Das Geld dazu wäre vorhanden. Aber auch die Bereitschaft, redaktionelle Medien nicht mehr nur als Geschäft zu sehen?
Nick Lüthi ist Redaktor von persoenlich.com.
KOMMENTARE
10.09.2024 16:27 Uhr
09.09.2024 14:38 Uhr
09.09.2024 09:19 Uhr
06.09.2024 14:35 Uhr
BLOG
Trennen, was nicht (mehr) zusammengehört