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"Troja nach Griechenland zu versetzen, finde ich einen Skandal"

Sacha Wigdorovits

Obschon ich selber immer in privaten Medienhäusern tätig war, gehöre ich zu den vehementen Verteidigern unseres Radio und Fernsehens SRF. Denn eine gut funktionierende und starke Demokratie braucht ein öffentlich-rechtliches Fernsehen – und umgekehrt. Insbesondere in unserem kleinen Land lässt sich dieses auch nicht durch die privaten Sender ersetzen. Wer anderes behauptet, hat von den wirtschaftlichen Realitäten im elektronischen Medienbereich schlicht null Ahnung. Aber hin und wieder fällt es mir trotzdem schwer, eine Lanze für SRF zu brechen. Zum Beispiel wenn die preisgekrönte Radio-SRF-Wissenschaftsredaktorin Katharina Bochsler mich fünf Minuten über die "toxischen Cocktails von Pflanzenschutzmitteln" informiert und dabei zwar politisch korrekt jedes Mal von "Landwirten und Landwirtinnen" und "Forschern und Forscherinnen" spricht, mir aber bis am Schluss nicht sagt, was denn genau das Problem dieser "toxischen Cocktails" ist. Töten sie Fische? Führen Sie dazu, dass die Uferböschungen versanden? Machen sie Wasser-trinkende-Menschen unfruchtbar? Ich weiss es nicht, denn Katharina Bochsler und Bochslerin hat es mir verschwiegen. Das Gute daran: Sie hat somit auch nichts Falsches gesagt. Im Gegensatz zu ihrer Kollegin, die heute Morgen die Nachrichten auf SRF 1 und 4 anmoderierte und dabei im Zusammenhang mit der Trojaner-Computerüberwachungsvorlage im eidgenössischen Parlament  die Stadt Troja bedenkenlos "ins alte Griechenland" versetzte. Da hat es mir als grossem Bewunderer von Ilias und Odyssee dann doch ein bisschen die Sprache verschlagen, bzw. ich habe die Zahnpasta verschluckt, mit der ich mir gerade die Zähne putzte. (Zur Erinnerung: Troja lag in Asien und wurde von den Griechen dem Boden gleich gemacht, weil es deren Vorherrschaft im östlichen Mittelmeerraum bedrohte. Das mit dem Raub der schönen Helena tönt und liest sich zwar gut, ist aber billige griechische Propaganda.) Dann allerdings machte mich mein Kollege Balts darauf aufmerksam, dass das noch gar nichts sei, denn gestern habe Radio SRF wiederholt gemeldet, der Morgenstraich habe in Brüssel stattgefunden. Als bekennenden Zürcher hat mich das ziemlich kalt gelassen. Von mir aus könnten sie gleich auch noch den FCB nach Belgien exportieren, dann würde der FCZ wenigstens sicher Schweizer Meister. Aber Troja nach Griechenland zu versetzten, das finde ich einen echten Skandal. Deshalb befürworte ich jetzt auch vehement ein öffentlich-rechtliches Schulfernsehen SRF – für die eigenen Moderatoren und Moderatorinnen.
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