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Twitter wird zur Gefahr für die Demokratie

Reto Vogt

Twitter gehört Elon Musk. Viel mehr ist aber noch nicht bekannt, und das ist bereits das erste Problem. Hat er die 44 Milliarden Dollar selbst aufgebracht oder hat ihm allenfalls jemand das eine oder andere Nötli zugesteckt, dessen Interessen Musk nun bedienen muss? Der neue Besitzer sollte dringend Transparenz schaffen diesbezüglich.

Ich halte es für brandgefährlich, dass ein punkto Meinungsbildung höchst relevantes soziales Netzwerk wie Twitter privat – sprich: unkontrolliert – geführt wird. Musk und sein Team können so quasi unbehelligt politische und gesellschaftliche Themen setzen, und so schlimmstenfalls Wahlen und Abstimmungen beeinflussen. Problem Nummer 2.

Dass er als erste Amtshandlung Vijaya Gadde feuerte, die bei der permanenten Sperrung von Ex-US-Präsident Donald Trump eine entscheidende Rolle gespielt haben soll, ist kein gutes Zeichen. Im Gegenteil: Das ist das dritte Problem. Musk will die lebenslänglichen Twitter-Verbannungen, die kaum ohne Grund ausgesprochen worden sind, rückgängig machen. So holt er, etwas zugespitzt ausgedrückt, den Pöbel zurück auf die Bühne.

Trump gefällt das. «Ich bin sehr froh, dass Twitter jetzt in vernünftigen Händen ist und nicht mehr von linksradikalen Spinnern und Verrückten geführt wird, die unser Land wirklich hassen», schrieb der Ex-Präsident, der aber eigenen Aussagen zufolge nicht zurückkehren will. Ob er bei der Aussage bleibt, selbst wenn er erneut für das Präsidentenamt kandidieren sollte und die Reichweite brauchen kann, wird sich weisen.

Man habe die Moderations-Policies «noch nicht» angepasst, twitterte Musk. Dafür hat er angekündigt, ein Gremium zu schaffen, das sich um den Umgang mit kontroversen Inhalten kümmert. Wie dieses zusammengesetzt werden soll und welche konkreten Entscheidungen dieses treffen soll, ist noch völlig unbekannt. Dafür ist klar, dass dieses Gremium, das ist das vierte Problem, weder Rechenschaft noch Transparenz schuldig ist. Jedenfalls soll direkt nach Vollzug der Übernahme ein Anstieg von Tweets mit rassistischer Hassrede aufgefallen sein. Twitter selbst sprach von 50'000 Tweets von 300 Accounts und man kämpfe dagegen. Wer bei Twitter dagegen kämpfen soll, bleibt allerdings offen. Laut Medienberichten sollen umgehend Stellenstreichungen eingeleitet worden sein.

Musk kämpft auch gegen schwindende Umsätze. Eine Möglichkeit sieht der Milliardär Medienberichten zufolge, mit der Verifikation von Nutzern Geld zu verdienen. Statt dass das Häkchen wie bisher kostenlos vergeben wird, soll es künftig für 20 Dollar im Monat erhältlich sein. Das ist das fünfte Problem, weil so die Anzahl verifizierter Nutzer rapide sinken dürfte und die Klarheit über den Absender dramatisch abnimmt. Musk selbst hatte am Wochenende einen Tweet mit einer Verschwörungstheorie retweetet, diesen aber später kommentarlos wieder gelöscht.

Sollten sich nur eines oder zwei der beschriebenen Probleme bewahrheiten, könnte Twitter zur Gefahr für die Demokratie vieler Länder entwickeln. Elon Musk hat es in der Hand, damit das nicht passiert.



Reto Vogt ist Chefredaktor von Inside IT. Dieser Kommentar erschien zuerst auf inside-it.ch.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 

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