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Verwirrkommunikation des BAG

Marcus Knill

Otto Normalverbraucher versteht die Welt nicht mehr. So wie das Bundesamt für Gesundheit BAG in der ersten Phase der Corona-Pandemie klar, einfach und verständlich kommuniziert hat, so unklar, wirr und unverständlich ist die jüngste Botschaft von Daniel Koch. Nach einem Interview, das in Teilen auf grosseltern-magazin.ch veröffentlicht wurde, dürfen plötzlich die Grosseltern ihre Enkel umarmen.

Wochenlang wurde eingebläut: Senioren müssen zu ihren Enkeln räumlich getrennt warten, und zwar möglicherweise bis ein Impfstoff gefunden ist. Denn bei kleinen Kindern sei es kaum möglich, die notwendige Distanz einzuhalten. Nachdem mit grossem Aufwand diese Forderung durchgesetzt werden konnte, soll dies nun nicht mehr gelten. Wenn ein Enkelkind umarmt werde, riskiere man nichts. Dass Grosselten die Enkel plötzlich problemlos umarmen, aber nicht hüten dürfen, ist für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar.

Diese Aussage von Daniel Koch verwirrt besonders: «Sehen Sie die, das Problem sind eigentlich die Eltern. Sie übertragen in der Regel das Virus, nicht die kleinen Kinder. Gefährdet sind die Grosseltern. Also darf man die kleinen Kinder wieder einmal umarmen, solange man den Abstand zu der mittleren Generation einhält.» Wer diese Aussage verstehen will, muss sie mehrfach lesen. Sie irritiert. Ein kurze Umarmung ist möglich, doch darf sich ein Enkelkind nicht tagelang bei den Grosseltern aufhalten.

Kompliziert wird es, wenn die Eltern den Kinderwagen den Grosseltern zuschieben dürfen, damit sie das Kind herausnehmen und kurz in den Arm nehmen dürfen, während die Eltern den Abstand wahren müssen. Weiterhin wird von gemeinsamen Ausflügen abgeraten. Wenn das BAG heute dennoch empfiehlt, die Generationen sollen sich nach wie vor separieren, ist die Verwirrung perfekt.

Die jüngste Botschaft «Umarmen ja – hüten nein» irritiert. Krisenkommunikation darf nicht widersprüchlich sein. Anweisungen sollten einfach, verständlich und nachvollziehbar sein. Entweder soll man die Enkel von den Grosseltern fernhalten oder man darf den Kontakt wieder aufnehmen.

Die jüngste Botschaft schadet der Glaubwürdigkeit des BAG.  Widersprüchliche komplizierte Verhaltensregeln führen dazu, dass das Bundesamt für Gesundheit nicht mehr ernst genommen wird und die Bevölkerung auch die erworbenen Grundregeln wie Distanzhalten oder Verzicht auf Handschlag bei Begrüssungen von sich aus ebenfalls lockert. Verwirren und irritieren sind bei jeder Krisenkommunikation ein No-Go.



Marcus Knill ist Experte für Medienrhetorik und Autor der virtuellen Navigationsplattform für Kommunikation und Medien rhetorik.ch.

Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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