Der bekannte Lastenvelo-Hersteller Babboe, der sich bis vor Kurzem auf der Website selbst als weltweite Nr. 1 in Europa bezeichnete, musste aufgrund behördlicher Anordnungen einen sofortigen Verkaufsstopp einleiten und hat zudem eine umfassende Rückrufaktion gestartet. Ein finanzielles Desaster und administrativer Horror für die Velomarke, die damit dem angeschlagenen Mutterkonzern Accell ein neues Problem kreiert. Der Grund? Es bestehe Gefahr für einen Rahmenbruch – ein extrem heikles Problem, wenn in der Transportbox kleine Kinder sitzen.
Aber was passiert beziehungsweise wird mit der Marke passieren, wenn das Unternehmen die Rückrufaktion überhaupt überleben wird? Eins ist sicher: Auf Babboe werden harte Zeiten zukommen, nicht zuletzt auch aufgrund des Umgangs mit dem Problem des Rahmenbruchs.
Ein emotionales Produkt mit einer technischen Kommunikation
In vielen Familien sind Lastenvelos nicht nur ein funktionales Cargo-Velo, sondern vielmehr ein geliebter Teil der Familie. Wenn ich unsere Kinder frage, ob sie mit dem Auto oder dem Lastenvelo befördert werden wollen, tendieren sie in den meisten Fällen zum Velo. Unter dem #babboemoment wird deutlich: Die Velos sind ein überaus emotionales Produkt.
In der anfänglichen Krisenkommunikation allerdings trug Babboe dem nicht Rechnung. Nutzerinnen und Nutzer berichteten in Blogs nicht nur von mangelnder Klarheit, sondern vor allem auch von fehlender Empathie. In den ersten Mails des Unternehmens hätte es anfangs keinerlei Entschuldigung gegeben. Stattdessen: bürokratisch und vermutlich von der Rechtsabteilung formulierte Mitteilungen. Aus unternehmerischer Sicht mag das berechtigt gewesen sein: Die Rechtslage war unklar, die Schäden noch nicht verifiziert, und das Problem sollte noch nicht eskaliert werden. Fans der Marke wurden brutal desillusioniert: «Meine Love-Brand mag mich gar nicht so sehr – ich bin einfach nur ein Kunde. Und meine veröffentlichten Bilder unter dem Hashtag sind einfach nur eine Marketing-Aktion, für die sie sich gar nicht wirklich interessieren.» So schildern Fans in den Medien ihre Enttäuschung.
Der Schaden betrifft eine hochrelevante Kernleistung
Rückrufe, Schäden, Skandale – das gehört fast schon zur Tagesordnung. Brennende Samsung-Handys oder der Dieselskandal lassen grüssen. Der Unterschied zu Babboe: Beim Dieselskandal wurden die Autokäufer verschaukelt. Aber die Qualität und vor allem die Sicherheit des Fahrers wurde nicht beeinträchtigt. Selbst bei einem Handy, das brennen könnte, würde ich glauben, dass sich dieses Problem frühzeitig bemerkbar macht.
Ein Rahmenbruch bei einem Velo, mit dem häufig Kinder transportiert werden, ist hingegen erstens eine direkte Gefahr für alle Insassen und zweitens etwas Latentes: Vielleicht knarzt es mal irgendwo, vielleicht zeigt sich mal ein Riss – aber soll man das jetzt jeden Tag prüfen? Anders gesagt: Das Problem bei Babboe trifft die absolute Kernleistung des Produkts. Es schürt sofortige Unsicherheit und macht Angst. Dieser Makel wird Babboe anhaften. Sie sind jetzt die Marke mit dem Rahmenbruch.
Die Rolle der Händler
Zuallerletzt kommt erschwerend hinzu: Babboe verkauft seine Produkte auch über Händler. Diese können und werden vermutlich in Zukunft geschult und mit erwünschten Aussagen seitens Babboe ausgestattet werden. Trotzdem wird eine grosse Überzeugungsarbeit nötig sein, um die Händler von der einwandfreien Qualität zu überzeugen. Schliesslich haftet jeder Verkäufer zweifach: Einmal mit seiner Reputation und zweitens mit Serviceanfragen, die ihn erreichen könnten. Verkäufer sagen nicht selten, dass der zufriedenste Kunde, der ist, von dem man nie wieder hört.
Lückenlose Transparenz, Aufklärung und Authentizität als einzige Mittel
Ist die Marke also am Ende? Prognosen sind nie gut, aber wenn man alle Faktoren betrachtet, inklusive der finanziellen Lage des Mutterkonzerns und der Unsicherheit auf Seiten der Investoren, wird ein Comeback der Marke eher ein Marathon als ein Sprint. Die einzigen wirksamen Mittel sind lückenlose Transparenz und Aufklärung hinsichtlich der Gefahr sowie Authentizität mit dem Ziel, die Sympathie und das Wohlwollen der Fans und Händler zu erhalten und zurückzugewinnen. Auf der Babboe-Website ist aktuell ein Video vom Geschäftsführer zu sehen, das genau diese Strategie verfolgt.
Jetzt müsste noch der Meta-Text überarbeitet werden. Wenn man Babboe googelt, zeigt das Suchergebnis für die Website noch immer das ursprüngliche Leistungsversprechen: sichere und erschwingliche Velos. Zumindest erschwinglich sind sie aktuell.
Colin Fernando ist Partner bei der Managementberatung BrandTrust.
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Warum auf Babboe harte Zeiten zukommen