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Wenn Comedy im Labor entsteht

Am Sonntags gab’s frische Comedy-Kost: Die Sendekreationsküche im leutschenbach'schen Unterhaltungsressorts servierte erstmals die neue Satiresendung „Comedy aus dem Labor“. Das Menü - angepriesen als „Angriff auf die Lachmuskeln“ – blieb aber unter den Erwartungen. Kurz gesagt: Zu viele Beiträge wirkten bemüht und es fehlte ein roter Faden durch die ganze Sendung. Vor allem aber war die Moderation schwerfällig und zu ungefähr. Michel Gammenthalers Überleitungen schienen wenig durchdacht. Der Zürcher Kabarettist bot nichts, was die 120'000 TV-Zuschauer (9.3 Prozent Marktanteil) überrascht hätte, sondern setzte lediglich auf seine spärlich beseelten, schon mehrmals gesehenen Figuren „Hellseher“ und die „Rentnerin Hedi Hegetschwiler“. Seniorin erntet müdes Kopfschütteln Als mit Kopftuch und Seniorenhandtasche bestückte Witwe schlurfte Gammenthaler durch die Eingangstür der Zürcher Laborbar (wo die Sendung aufgezeichnet wurde) – diese Szene sollte die Sendung eröffnen. Auf den „Freitagsspruch“, den er beim Eintreten klopfte, erntete er bei den Zuschauern aber wohl nicht mehr als ein müdes Kopfschütteln. Fest steht: Wer Zuschauern ein Satireprogramm schmackhaft machen will, muss geistreicher und überraschender starten. Dass dies durchaus möglich ist, wissen alle, die schon einmal bei der „Frischlingsparade“ im Winterthurer Casinotheater zu Gast waren.

„Hüppi/Russi“ liegen punkto Dialektimitation weit daneben Ebenfalls wenig nachhaltige Spuren hinterliessen die eingeladenen Kleinkünstler: Weder Michael Elsener (als Bauernhof-Praktikant Bostic), Standupper Javier Garcia noch „Hand und Stand“ (Marcel Brunner/Lukas Külling) kreierten kreative Lacher. Besonders enttäuschend waren die Einspielfilme „Hüppi/Russi“. Mit der von Werner Haltinner synchronisierten Sportkommentatoren-Szene wurde schlicht und einfach eine Chance vergeben. Schade, denn Synchro-Comedy kann extrem witzig sein. Doch Haltinner bewies schon beim ersten Satz, als er Matthias Hüppis Tonspur mit „als“ statt „alles“ übersprach, wie weit er punkto Dialektimitation daneben lag. Nicht nur Ostschweizer Zuschauern wurde klar:  Hier hatte einer den Thurgauer mit dem St.Galler Dialekt verwechselt. Und auch Bernhard Russis Mundart schaffte Haltinner nicht annähernd zu nachzuahmen: „Dr goonz Tog“ stammt eher aus einem Zürcher Sprechorgan, als aus demjenigen Russis. Ganz so schlimm wären diese „technischen“ Mängel im Voice-over nicht, wenn die Einlage darob wenigstes durch geistreichen Inhalt überzeugt hätte. Doch: Die Pointe, wonach zwölf nackte Frauen einen Pulli von unten her stricken, erschliesst sich mir bis dato nicht. „Ohne Rolf“ und Knackeboul überzeugen Doch nicht überall waren Mängel auszumachen. „Comedy aus dem Labor“ enthielt durchaus Spitzenkreationen: Die Auftritte des Plakatdialog-Duos „Ohne Rolf“ und des Prosa-Beatboxers Knackboul entpuppten sich als Höhepunkte. Dass „Ohne Rolf“ von Geist und Phantasie sprüht, haben die beiden bereits in der Satire-Latenight-Show Giacobbo/Müller bewiesen. In derselben Show war auch Rapper und Fernsehmoderator Knackeboul kürzlich zu Gast. Überaus flink begeisterte er schon damals mit seinen, in (spontaner) Interaktion mit dem Publikum entstehenden, phantasievollen Beat-Box-Songs. Inhalte müssen über das Erwartbare hinausgehen Damit eine Satiresendung vom Weiter-Zappen abhält oder – im Zeitalter von TV-On-Demand – die Zuschauer dazu bringt, die Sendung später anzuschauen, ist definitiv mehr nötig als plumpe Witze über "kaputte Kühe" oder  „Kaffeebohnen-Futter für Latte Macchiato“. Aus der Hüfte heraus lustig zu sein, reicht nicht. Für eine Satiresendung mit Resonanz und vorzeigbaren Einschaltquoten, muss SRF wirklich Neues wagen und zeigen, was die Schweiz noch nicht gesehen hat. Erst wenn die Inhalte über das Erwartbare hinausgehen, scharfsinnige Gedankengänge bieten oder auch mal an Tabus kratzen, wird die Satire-Sendung zum Must-see. Das Schweizer Fernsehen muss sich überlegen, ob der Entscheid, wenig bekannte Comedy-Kost unverarbeitet und direkt aus dem Entwicklungs-Labor den Zuschauern zuzumuten, wirklich richtig war. Künftig wäre vor Ausstrahlung eine kurze Qualitätskontrolle mit Aussortierung der Mangelware zu empfehlen.
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