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Wenn die Migros sich selbst kopiert

Die neue Migros-Kampagne für «dauerhafte Tiefpreise» wirft Fragen auf – und zwar nicht nur gestalterische. Der orange Riese greift dabei auf visuelle Elemente zurück, die stark an die Werbelinie der Tochtergesellschaft Denner erinnern.

Die Migros wirkt in ihrer Ausrichtung unentschlossen. Einerseits will sie mit charmanten Mr.-Bean-Spots Herzen für ihre Eigenmarke Frey gewinnen, andererseits kopiert sie die visuelle Sprache des hauseigenen Discounters. Das wirkt nicht nur ideenlos, sondern auch strategisch fragwürdig. Denn wer alles sein will – Vollsortimenter und Preisbrecher zugleich –, läuft Gefahr, am Ende nichts mehr richtig zu sein.

Interessanterweise ist dies nicht das erste Mal, dass sich die Werbelinien von Migros und Denner überschneiden. Im Frühjahr 2022 warb die Migros mit verwischten Produkten für ihre Selfscanning-App SubitoGo. Zwei Jahre später nutzte Denner ein verblüffend ähnliches visuelles Konzept für seine eigene Kampagne (persoenlich.com berichtete). Dass nun die Migros bei ihrer Tochtergesellschaft Anleihen macht, erscheint wie eine ironische Wendung dieser Geschichte.

Doch von Anfang an und damit zurück zum aktuellen Beispiel: Da sinken sie ein, die halbierten Früchte und Gemüse, in die Tischplatte der neuen Migros-Kampagne. Eine kreative Visualisierung von Tiefpreisen? Gewiss. Innovativ? Mitnichten. Denn wer sich an den letzten Herbst erinnert, dem kommen unweigerlich die Denner-Plakate in den Sinn, auf denen Produkte buchstäblich «runtergesetzt» wurden. Beide Kampagnen stammen von Thjnk.

Werber Frank Bodin sieht darin eine bewusste und auch kluge Strategie, wie er auf Anfrage schreibt: «Den zum Migros-Konzern gehörenden Denner als Benchmark für die Preispolitik und darum auch die Werbung heranzuziehen, ist eine opportune Strategie – also cleverer, als manch einer auf den ersten Blick vermuten würde». Die Frage ist jedoch, ob diese Angleichung der Werbesprache für die Migros als führenden Schweizer Detailhändler zielführend ist.

Die Kampagne mag handwerklich solide sein, aber sie offenbart ein tieferliegendes Problem: Eine Migros, die sich selbst bei Denner bedient, scheint ihre eigentliche DNA aus den Augen verloren zu haben. Gottlieb Duttweiler würde sich im Grabe umdrehen – nicht wegen der gesunkenen Preise, sondern wegen der gesunkenen Originalität.



Christian Beck ist Redaktor von persoenlich.com.

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KOMMENTARE

Fabian Schmid
06.11.2024 11:47 Uhr
Frank Bodin irrt sich einmal mehr.
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