So einige Medienschaffende, Blogger und Werbetexter schreiben schon länger keine Headlines mehr. Schon klar, Clickbaiting gehört zum Geschäft. Und das kurzweilige Vergnügen – die Vorfreude beim Klicken auf eine vielversprechende Headline – scheint vielen Lesern ja zu gefallen. Die Enttäuschung, wenn sie direkt danach realisieren, dass die Geschichte gar keine Geschichte ist, hält sich offenbar in Grenzen. Fair enough.
Was sich nun aber vermehrt als Headline-Mechanik etabliert, ist die Verwendung von Zitaten irgendwelcher News-Scouts, Leser-Reporter, Zuschauerinnen, Passantinnen oder Unterstufenschülerinnen. Da könnten diese Personen die Zeitung ja gleich selber schreiben. (Oder tun sie dies vielleicht bereits?)
Keine Frage: «In Bern geht grad die Welt unter» wäre eine starke Headline. Aber nur dann, wenn in Bern gerade die Welt unterginge. Oder wenn wenigstens ein Promi, vielleicht im Drogenrausch, ja vielleicht im Bundeshaus am Rednerpult, diesen Satz geäussert hätte. Aber nicht, wenn das Zitat von «einer beeindruckten Leserin» stammt, die ein leicht verschwommenes Foto von einem Blitz über Bümpliz an die Redaktion gesendet hat.
Eine Headline hat die Aufgabe, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Wenn sie jedoch zu viel verspricht, den Leser ins Leere laufen lässt oder ihm mit Banalität Zeit stiehlt, verspielt sie das Vertrauen.
Dieter Boller studierte Publizistikwissenschaft und Psychologie an der Universität Zürich und arbeitet heute als freier Texter und Konzepter in der Werbebranche. Diesen Blog-Post hat Boller zuerst auf seinem Linkedin-Profil veröffentlicht.
Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.
KOMMENTARE
20.08.2024 23:38 Uhr
18.08.2024 15:19 Uhr
BLOG
Wir müssen über Headlines reden