Die Nachricht geht dieser Tage um die Welt: Das Matterhorn darf nicht mehr die markante, dreieckige Toblerone-Verpackung (persoenlich.com berichtete) zieren. Sogar US-Medien und die BBC berichten darüber. Vermutlich kennen all diese Journalisten die zu Pyramiden aufgestapelten, riesengrossen Toblerone-Packungen aus den Duty-free-Shops der Flughäfen dieser Welt.
Um es direkt von vornherein zu sagen: Dass das Matterhorn nun durch irgendeinen Berggipfel ersetzt wird, sollte keine Umsatzeinbrüche zur Folge haben. Durch eine Milchglasscheibe betrachtet, bleiben die prägenden Stilelemente nach Unternehmensangaben weitestgehend unverändert – die dreieckige Verpackung und die Farbe. Einzig das Markenlogo und die Schrift sollen selbstähnlich weiterentwickelt werden, und man wolle sich dabei an der eigenen Historie bedienen.
Ciao Swissness
Doch die Geschichte, warum der markante Gipfel weichen muss, ist noch nicht zu Ende erzählt. Zukünftig möchte der Brand-Owner Mondelez die Schoggi nun ausserhalb der Schweiz produzieren. Und hier ergibt sich ein Konflikt mit den Swissness-Regeln. Diese bestimmen sehr genau, welche Produkte mit dem Prädikat «Swiss made» ausgestattet werden dürfen und welche nicht. Und für Toblerone bedeutet das: Swissness ist passé.
Nun wird mit «founded in Switzerland» beziehungsweise «hergestellt in der Schweiz» geworben, abgestimmt auf die Anforderungen des Schokoladenherstellerverbandes Chocosuisse. Ja, das ist korrekt. Und für den flüchtigen Leser der Verpackung macht das auch keinen Unterschied. Denn die Verantwortlichen wissen um die Stärke ihrer Marke und dass durch den jahrzehntelangen kommunikativen Bezug die Schweizer Identität mit der Marke für immer verbunden bleiben wird. All diese Argumente hat man vermutlich in die Waagschale geworfen bei der Entscheidung, ob man auf «Swiss made» verzichten kann.
Da davon auszugehen ist, dass die partielle Produktionsverlagerung in die Slowakei signifikante finanzielle Gründe hat, muss ich aus markenstrategischer Sicht auf den ersten Blick von einem cleveren Schachzug sprechen – oder anders gesagt: Toblerone hat den Marken-Akku seit 1908 aufgeladen, deshalb verkraftet die Marke das Wegfallen des nach wie vor in der Welt bedeutungsvollen «Made in Switzerland»-Siegels. Und dennoch bleibt eine bittere Note.
Die zynische Welt und die Trickserei von Toblerone
Bereits seit einigen Jahren beobachten unsere Trendforscher das wachsende Misstrauen der Konsumentenschaft. Havas Media nennt das die Ära des Zynismus. Sie beschreibt, wie Menschen, ob der fehlenden Glaubwürdigkeit und des zweifelhaften Gebarens vieler Marken, das Vertrauen in sie verlieren und deshalb deren kommunikativen Versprechen erst einmal misstrauen. Die Business-Menschen und Markenexperte sehen also einen strategischen Schachzug. Die Konsumentin und der Konsument hingegen werden es als Trickserei interpretieren und als erneuten Beweis dafür, wie sie von der Werbewelt – insbesondere vom Detailhandel – an der Nase herumgeführt werden.
Die harten Swissness-Kriterien verbieten überdies auch jegliche Anspielungen auf die Schweizer Herkunft. Dieses kommunikative Element, das die Marke in der Vergangenheit so gerne genutzt hat, wird in den zukünftigen Kampagnen fehlen. Findige Agenturen werden aber sicherlich auch hier ein paar Tricks finden, das zu kompensieren.
Insgesamt liefert die Situation eine weitere Bestätigung dafür, dass Toblerone eine willenlose Produktmarke eines Konzerns geworden ist, die ihren Geschäftserfolg vermutlich grösstenteils als Flughafen-Mitbringsel generiert.
Zum Abschluss aber noch etwas Positives: Toblerone hat für sich eine Entscheidung getroffen, die es wiederum anderen Marken ermöglicht, sich als Gegenentwurf zu positionieren und so an Profil und Anziehungskraft zu gewinnen. Beispiel: Tony´s Chocolonely. Die Marke engagiert sich glaubhaft gegen die nach wie vor existierende Sklaven- und Kinderarbeit in der Kakao-Produktion. Mitarbeitende von Tony´s luden Toblerone über Posts dazu ein, Teil von Tony´s Open Chain und damit Teil der Bewegung zu werden. Ein cleverer Schachzug der Schokoladenmarke aus Holland – dieser schmeckt mir deutlich besser als der von Mondelez.
Colin Fernando ist Partner bei der Managementberatung BrandTrust.
Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.
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Zwischen genialem Schachzug und Trickserei