31.03.2020

Uhoo

«Das Potenzial dieser Technologie ist immens»

Das Ende der Cookies ist nah. Ein Schweizer Start-up hat für dieses wichtige Instrument im Digitalmarketing eine Alternative: GPS-Daten. Bruno Sigrist, Co-Gründer von Uhoo, erklärt im Gespräch, wie man mit alten Daten Neues möglich macht.
Uhoo: «Das Potenzial dieser Technologie ist immens»
Cookies gibt es schon seit 26 Jahren. Sigrist sagt, es sei höchste Zeit, diese zu ersetzen. (Bild: zVg.)
von Loric Lehmann

Wer bis anhin eine Zielgruppenansprache im Digitalmarketing plante, tat dies meist anhand von Cookies. Schwindende Daten sind jedoch ein anhaltender Diskussionsgegenstand in der Branche: Während Browser wie Safari und Firefox Cookies bereits standardmässig blockieren, wird 2022 auch der meistgebenutzte Browser Chrome nachziehen (persoenlich.com berichtete).

Das Schweizer Start-up Uhoo will da in die Bresche springen und präsentiert eine Lösung, die ohne Cookies funktioniert. Uhoo besitzt Daten zu jeder Adresse, zu jeder Gemeinde, jedem Viertel und Gebäude, kennt zusätzlich dessen Wert und die Distanzen zur nächsten ÖV-Haltestelle, zum nächsten See oder Detailhändler. Dabei stützt man sich auf öffentlich verfügbare Quellen sowie Anwendungen aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz.

Während Uhoo mit Co-Gründer Bruno Sigrist für die Vermarktung zuständig ist, werden die Daten vom HSG-Spin-off Novalytica bereitgestellt. Dahinter stehen Massimo Mannino, der auf der Forbesliste «30 under 30» steht, sowie Thomas Spycher, Ökonom und Dozent der Universität St.Gallen. Novalytica fokussiert sich als Datenunternehmen auf die Erhebung, Strukturierung, Analyse und Modellierung von Big Data mittels künstlicher Intelligenz.

Herr Sigrist, woher nimmt Ihr Partnerunternehmen Novalytica die Daten für Ihr Data-Targeting?
Novalytica strukturiert und modelliert die Daten von diversen Quellen wie dem Bundesamt für Statistik, den regionalen Statistikämtern, diversen Onlineplattformen wie Homegate, Comparis sowie Immoscout. Ausserdem bedienen sie sich auch von Webseiten wie Google Maps oder Open Street Maps. Der grösste Teil der von uns verwendeten Daten stammt somit von öffentlichen Quellen.

Wie kann man diese Daten für eine Digital-Kampagne verwenden?
Als Erstes können wir damit die Zielgruppe des Kunden genau abbilden. Wir fragen uns, wo sie sich in der Freizeit aufhält, an welchen Plätzen sie besonders empfänglich für Kaufimpulse ist, was für eine politische Einstellung sie hat, mit welchem Gerät sie an welchem Ort surft oder in welchem Quartier sie beispielsweise wohnt. Daraus ergeben sich tausende von geografischen Punkten, die uns in Längen- und Breitengraden übergeben werden. Mittels GPS-Targeting spielen wir nun programmatisch und spezifisch nur in diesen Kreisen die Werbung aus. Ganz ohne die Verwendung von Cookies.

Hektaranalyse_uhoo_26.03.2020


Warum ist noch niemand früher auf diese Idee gekommen?
Das ist eine gute Frage (lacht). Neu sind vor allem die Tiefe und Genauigkeit des Produktes sowie die direkte Anbindung an die Werbekampagne. Denken wir an die politische Öffentlichkeitsarbeit, wurde da schon in eine ähnliche Richtung gearbeitet. Aber wie so oft im Leben hatten wir einfach Glück, uns im richtigen Zeitpunkt begegnet zu sein. Schön war zudem zu sehen, dass beide Parteien sofort das Potential in Uhoo gesehen haben und die Ressourcen für das Projekt sofort zur Verfügung stellten. Zukünftig wird man bestimmt mehr von dieser Technologie hören.

Momentan läuft Digitalmarketing vor allem über Cookies. Damit können aber nur 80 Prozent der Online-Bevölkerung erreicht werden, da gewisse Browser diese blockieren. Wie hoch ist der Anteil der erreichten Nutzer mit Ihrer Technologie?
Da wir mit unserer Technologie vollständig auf Cookies verzichten können, erreichen wir theoretisch alle Internetuser der Schweiz. Laut Statista sind das aktuell knapp 8,3 Millionen Menschen oder 96 Prozent der Bevölkerung. Wir erreichen mit unserem Daten-Targeting auch Personen, die auf Firefox oder Safari surfen. Diese beiden Browser blockieren jetzt schon standardmässig Cookies von Drittanbietern. Chrome hat auch angekündigt, dies bald umsetzen zu wollen. Gegen Adblocker können jedoch auch wir nichts tun.

«Wir speichern keine Personendaten auf individueller Ebene ab»

Datenschutztechnisch betrachtet gelten Cookies als heikel: Wie sieht das mit Ihren Daten aus?
Im Gegensatz zu Facebook und Google speichern wir keine Personendaten auf individueller Ebene ab. Alle erfassten Daten werden auf eine geographische Einheit aggregiert und nur in Bezug auf die Geolokalisierung abgespeichert. Alle Datensätze und Modellierungen entsprechen der derzeitigen Schweizer Rechtslage und sind auch konform mit dem revidierten Bundesgesetz über den Datenschutz, das derzeit im Parlament diskutiert wird. Ich sehe somit eine grosse Verbesserung zum Status Quo.

Bald werden Cookies wohl zunehmend unbedeutender werden im Digitalmarketing. Könnte Ihr «Data-Targeting» diese ersetzen?
Cookies gibt es seit 26 Jahren. Wir stehen ganz am Anfang. Wer weiss, wohin die Reise noch geht. Cookies funktionieren jedoch extrem gut auf das Verfolgen eines einzelnen Users. Beispielsweise nachdem er oder sie ein Produkt auf einem Onlineshop angeschaut hat. Das ist mit Uhoo heute nicht möglich – aber auch nicht unser Fokus. Wir schalten Werbung auf Smartphones oder Computern an spezifisch passenden Orten, seien das die zehn Prozent der progressivst-wählenden Gemeinden der Schweiz, bei allen Elektro-Tankstellen in Baden, in allen Fachhochschulen in der Westschweiz oder in einer kleinen Häusersiedlung mit vielen Krankenschwestern.

«Einen Fussballschuh könnten wir mit einem Klick auf jedem offiziellen Schweizer Fussballfeld plus  Kabinen bewerben»

Können Sie mir erklären, wie eine Digitalkampagne ausschauen könnte, wenn ich zum Beispiel Sportschuhe bewerben möchte?
Sportschuhe ist natürlich ein grosser Begriff. Und es fehlen mir noch wichtige Informationen, um hier eine seriöse Kampagne aufzeigen zu können. Ist es beispielsweise ein Laufschuh oder ein Fussballschuh? Was für weitere Infos besitzen wir von der Zielgruppe und wo soll er gekauft werden? Einen Fussballschuh könnten wir aber mit einem Klick auf jedem offiziellen Fussballfeld und Stadion der Schweiz plus deren Kabinen bewerben. Oder nur auf denjenigen, die sich in einem Umkreis der Shops befinden und eine hohe Dichte an Hunden besitzt, sollte das für die Marke relevant sein (lacht).

Dann machen Sie ein spezifischeres Beispiel.
Spannend wird es, wenn der Kunde die Zielgruppe schon genauer kennt. Aktuelle Beispiele sind eine Kosmetikmarke, die gesellschaftsliberale Personen mit seinem Produkt erreichen möchte. Dann können wir nur Verkaufsläden von Gemeinden mit einer sehr hohen Zustimmung einer bestimmten Volksabstimmung verwenden. Zum Beispiel diejenigen, die besonders deutlich Ja zur Initiative «Erweiterung der Anti-Rassismus-Strafnorm» gesagt haben. Oder eine Automarke, die ihr neues Familienmodell im oberen Preissegment verkaufen möchte. Hier stellen wir einen Pool mit Familien in Einfamilienhäusern mit sehr hohem Wert, in urbanen Regionen und tiefem Altersdurchschnitt zusammen.

Bis jetzt setzen Sie nur auf Digitalmarketing. Könnte man diese neue Technologie auch für OOH und insbesondere DOOH nutzen?
Absolut. Wir starten heute mit einem digitalen Angebot und sammeln und analysieren die ersten Daten. DOOH ist schon Bestandteil des Angebots. Weitere Gespräche für die Erweiterung der Produktpalette laufen und wir sind offen für Kooperationen. Das Potenzial ist auf jeden Fall immens.



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Kommentare

  • Kudret Yildiz, 31.03.2020 10:21 Uhr
    Top, das sind sehr gute News! Die Kombination mit OOH/DOOH stellt sich als eine Konsequenz dar. Jedoch erachte ich Uhoo als eine Lösung/Lieferant von Daten für die Entwicklung eines Ansatzes auf strategischer Ebene. Die Beispiele im Interview sind auf Kampagnenebene natürlich ganz interessant und zum Probieren interessant. Aber mit der langfristigen Ausrichtung des Ansatzes hat man eine Präsenz am richtigen Ort, die ggü. traditionellen Kanälen wie OOH/DOOH besser funktionieren könnte. Zumal die Kommunikation auch interaktiver und attraktiver gestaltet werden kann.
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