28.06.2020

Serie zum Coronavirus

«Daten sind das neue Gold»

UX Director Martin Stauch hat Publicis und die Digitalagentur Notch zusammenführen müssen. Dann kam Corona. In Folge 73 unserer Serie spricht er über die Arbeit im Homeoffice und und die Auswirkungen von Corona auf die Kreativwirtschaft.
Serie zum Coronavirus: «Daten sind das neue Gold»
«Wir sollten endlich aufhören von ‹Digital vs. Klassisch› zu sprechen, so Martin Stauch, UX Director bei Notch Interactiv. (Bild: zVg.)
von Matthias Ackeret

Herr Stauch, wie haben Sie den ganzen Lockdown erlebt?
Wie für alle war es auch für mich und das Team eine neue Situation. Trotzdem fanden wir uns schnell in der neuen Realität zurecht – selbst in einem grossen Unternehmen wie Publicis. Es war toll zu sehen, wie reibungslos die Zusammenarbeit über die digitalen Kanäle funktioniert. Ausserdem konnte ich mich endlich für eine neue Schreibtischlampe entscheiden.

Was wird von dieser Zeit bleiben?
Die Erinnerung daran, wie filigran, verletzlich und zusammenhängend letztlich alles ist. Es ist doch einfach erstaunlich, welche Effekte dieser Lockdown auf unsere Welt hatte. Nicht nur ökonomische und ökologische, sondern auch psychologische; der Austausch mit Freunden und der Familie hat mir – wie den meisten wohl auch – besonders gefehlt. Aber auch die Erkenntnis, dass es viel mehr regional hergestellte Produkte gibt, als man vielleicht dachte. Und dass man tatsächlich auf Vieles verzichten kann, wenn man will.

Sie machen bei Publicis bis Ende des Jahres Homeoffice. Inwiefern wird dies in der Zukunft weitergeführt?
Wir folgen momentan den Anweisungen unseres globalen CEOs Arthur Sadoun. Selbstverständlich prüfen wir für unseren Standort individuelle Lösungen und haben unsere Räumlichkeiten bereits so weit umgebaut, dass wir die Mindestabstände und Hygienevorschriften einhalten können. Kundenmeetings, Teammeetings und Workshops finden bereits wieder an der Stadelhoferstrasse statt. Für unsere Mitarbeitenden, denen Homeoffice nicht mehr zugemutet werden kann, sind einzelne Tage in der Agentur möglich. Einige nutzen das auch schon.

«Wir werden freier wählen, wo und wie wir arbeiten»

Und wenn wir weiter schauen?
Wenn wir etwas weiter in die Zukunft schauen, bin ich davon überzeugt, dass wir freier wählen werden, wo und wie wir arbeiten. Dieses experimentelle und nicht ganz freiwillige Setting hat uns gezeigt, wo die Chancen, aber auch die Risiken dieser individuellen Arbeitsweise liegen. Nun gilt es, die Stärken von beiden Modellen beizubehalten, ohne deren Schwächen weiter mitzuschleifen.

Können Videokonferenzen langfristig persönliche Kontakte ersetzen?
Nein, das glaube ich nicht. Natürlich lässt sich heute vieles per Videokonferenz besprechen. Auch Kunden-Workshops mit diversen Breakoutsessions, Post-it-Walls und Votings funktionieren mittlerweile ganz gut remote. Trotzdem arbeiten wir in einer Branche, in welcher der persönliche Austausch essentiell ist fürs Business. Vor allem auch fürs New Business. Da spielen viele verschiedene weiche Faktoren wie Sympathie, Mimik und Gestik eine zentrale Rolle, die in Videocalls wirklich schwierig zu deuten sind oder gar nicht erst rüberkommen. Abgesehen davon tausche ich mich lieber bei einem Kaffee oder Feierabendbier aus als vor der Cam.

Sie sind im Januar mit der Digitalagentur Notch bei der Publicis eingezogen, kurz danach war der Lockdown. Konnten Sie sich in dieser Zeit im neuen Umfeld integrieren?
Nun, einige von uns haben bereits im Vorfeld auf «Probe» zusammengearbeitet, am Swiss-Bankers-Pitch zum Beispiel, den wir bereits vor dem offiziellen Zusammenschluss gewonnen haben. Dadurch, dass wir keine reine Notch-Unit haben und alle Mitarbeitenden in gemischten Teams zusammenarbeiten, waren wir relativ schnell integriert. Zudem wurden wir ja auch sehr nett empfangen, was eine Integration natürlich vereinfacht. Ich denke, der Prozess der Kulturenzusammenführung braucht deutlich länger, aber auch hier arbeiten wir alle eng zusammen. Eine solche entsteht ja nicht von heute auf morgen.

Sie haben mit der neuen 20-Minuten-App für Furore gesorgt. Was ist neu daran?
Neu daran war sicher, dass die User von Anfang an mitbestimmen konnten, wie sie die App in Zukunft nutzen möchten und was ihnen wichtig ist. Ihnen stehen die unterschiedlichsten Content-Formate zur Verfügung: Je nach Lust und Laune können sie zwischen Newsformaten, Entertainment, Video, Musik und Radio auswählen und 20 Minuten so konsumieren, wie sie eben gerade möchten. In dieser Art und Weise ist das bestimmt einmalig und wegweisend.

«Reine Werbung ist schon lange kein Thema mehr»

Welche Auswirkungen hat die Corona-Zeit auf die Kreativwirtschaft? Wird der Digitalbereich noch dominanter werden?
Ich finde, wir sollten endlich aufhören von «Digital vs. Klassisch» zu sprechen. Heute stehen allen Kreativschaffenden viele Optionen zur Verfügung, um für unsere Kunden und ihre Ziele die richtige Strategie zu finden. Reine Werbung ist schon lange kein Thema mehr. Wir befinden uns an einem Punkt, an dem Kreativität, Daten und technische Möglichkeiten verschmelzen und neue Kommunikationsformen entstehen. Dominanter werden aber sicher die datengetriebenen Marketingaktivitäten mit granularen Zielgruppen und performance-optimierter Budgetierung, das steht wohl ausser Frage.

Wie schätzen Sie den Stellenwert von Google und Facebook in der Zukunft ein?
Wir hatten es vorher von Daten. Daten sind das neue Gold. Und das wissen Google und Facebook schon lange. Wer heute seine Kunden von morgen kennt, wird viel Geld verdienen. Bei Facebook ist wohl der Zenit der Popularität erreicht, die Plattform ist für junge Menschen nicht mehr attraktiv und relevant; da gibt es mittlerweile Alternativen, welche die Eltern nicht nutzen (lacht).

Welche Trends im Digitalbereich werden sich mittelfristig durchsetzen?
Wir haben während der Coronakrise gesehen, wie populär Videokonferenz-Systeme oder auch digitale Kollaborations-Plattformen wurden. Ich glaube, dass sich solche Tools fest etablieren werden. Es kann ja auch nicht sein, dass wir wegen einem zweistündigen Workshop nach London fliegen müssen. Interessant ist auch, zu beobachten, wie Distance Learning, virtuelle Museumsbesuche oder Open Data gerade zu grossen Themen werden. Gerade bei Open Data stellt sich auch die Frage, wie wir diese transparenter und nachvollziehbarer machen und auf Validität prüfen können. Da besteht noch grosses Potenzial.

Was war für Sie das prägendste Erlebnis der letzten Wochen?
Wie schnell alles ging. Und wie schnell man sich an eine noch nie dagewesene Situation gewöhnt. Und, dass ich viel mehr gekocht habe daheim und nun dementsprechend wieder abnehmen muss. Aber der Tennisplatz ist ja zum Glück auch wieder geöffnet.



Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.



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