26.03.2014

Türkei

Gericht in Ankara entscheidet gegen Twitter-Sperre

Die Oppositionspartei CHP spricht von einem Warnschuss für das "totalitäre Regime".

Im Streit um den Kurznachrichtendienst Twitter hat der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan eine juristische Schlappe hinnehmen müssen. Das Verwaltungsgericht von Ankara ordnete am Mittwoch die Aufhebung der landesweiten Twitter-Sperre an. Das von empörten Oppositionspolitikern und Anwälten angerufene Tribunal bewertete das Zugangsverbot als "Zensur", die "den Prinzipien eines Rechtsstaats widerspricht". Die Regierung kündigte an, das Urteil werde umgesetzt.

Vizeregierungschef Bülent Arinc sagte, die Telekommunikationsbehörde werde der Entscheidung Folge leisten, sobald das Gericht sie zugestellt habe. Allerdings könne sie Widerspruch einlegen.

Fast gleichzeitig gab auch Twitter rechtliche Schritte in der Türkei gegen die Blockade bekannt. Das US-Unternehmen verweist darauf, dass es keine Grundlage mehr dafür gebe. Zwei von drei Gerichtsurteilen, auf denen das Twitter-Verbot beruhe, bezögen sich auf Inhalte, gegen die Twitter bereits selbst vorgegangen sei, weil sie Regeln des Dienstes verletzt hätten. Im dritten Fall habe Twitter den strittigen Inhalt für Nutzer aus der Türkei gesperrt.

Twitter-Verbot scharf kritisiert 
Die Oppositionspartei CHP, die Klage gegen das Verbot eingelegt hatte, sprach von einem Warnschuss für das "totalitäre Regime" von Erdogans islamisch-konservativer Partei AKP. Wer seine Gegner "mit Verboten und Zensur" zum Schweigen bringen wolle, "für den ist das Ende nah", sagte CHP-Vize Mrehan Halici der Nachrichtenagentur AFP nach dem Urteil in Ankara.

Erdogans Regierung hatte den Zugang zu Twitter in der Nacht zum Freitag sperren lassen, nachdem sie zuvor schon Verbote der Internetplattformen YouTube und Facebook in Aussicht gestellt hatte. Hintergrund sind anhaltende Korruptionsvorwürfe gegen die politische Führung des Landes, die auch per Twitter verbreitet wurden. Offiziell begründet wurde die Sperre mit der Weigerung des Online Unternehmens, von türkischen Gerichten beanstandete Beiträge zu löschen.

Kommunalwahlen am Sonntag 
Neben dem türkischen Präsidenten Abdullah Gül hatten auch westliche Regierungen und die Europäische Union das Verbot scharf verurteilt. Viele der zehn Millionen Twitter-Nutzer in der Türkei fanden jedoch technische Tricks, um die Blockade zu umgehen. Auch Gül twitterte demonstrativ gegen das Verbot an und nannte den Bann inakzeptabel.

Über Twitter werden seit Wochen Botschaften mit mitgeschnittenen Telefonaten verlinkt, in denen Erdogan und andere Regierungsmitglieder zu hören sein sollen. Dabei geht es unter anderem um Schmiergeldzahlungen. Erdogan bezichtigt Anhänger des islamischen Predigers Fethullah Gülen einer Verschwörung gegen die Regierung. Gülen bestreitet das.

In der Türkei sind am Sonntag Kommunalwahlen, die als wichtiger Test für die Stimmung im Lande gelten. (sda)


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