07.02.2021

Supernova Podcast

«Oben in den Charts sind meist sehr aufwendige Formate»

100'000 Franken Budget für einen Podcast mit acht Teilen: «Supernova» steht im Zusammenhang mit der Ausstellung «Super - die zweite Schöpfung» im Museum für Kommunikation. Audioproduzent This Wachter über den Merkel-Klon und Erfolgsfaktoren im Podcasting.
Supernova Podcast: «Oben in den Charts sind meist sehr aufwendige Formate»
This Wachter ist seit 2016 selbstständig als Experte für aufwendige Audioformate. Vorher arbeitete er jahrelang als Journalist, zuerst bei Printmedien, später bei Radio SRF. (Bild: zVg.)

Herr Wachter, eine Angela-Merkel-Stimme ruft den Satiriker Karpi an. War Karpi vorgängig darüber informiert?
Nein, es war nichts inszeniert. Entsprechend nervös waren wir, ob Karpi den Telefonanruf überhaupt annimmt oder gleich wieder auflegen wird. Zum Glück hat er Ersteres gemacht und Letzteres unterlassen.

Wie wurde die Stimme von Angela Merkel programmiert?
Der Informatiker und Nerd Werner Dreier hat mit im Netz vorhandenem Tonmaterial von Merkel deren Stimme klonen können. Wie er es gemacht hat, erklärt er in einem separaten Interview, das bei uns auf der Website supernovapodcast.art zu finden ist. Er hat uns dann freundlicherweise jene Sätze aus dem Computer spucken lassen, die wir von Merkel für das Telefonat mit Karpi brauchten. 

Kommen bei «Supernova» neben dem Stimmenkloner weitere KI-Tools zum Einsatz?
Ja, so haben unsere Sound- und Musikmänner Simon Meyer und Luki Fretz bereits mit verschiedenen KI-Musik-Tools herumexperimentiert und diese in unser Sounddesign einfliessen lassen. Zudem nutzen wir Google Cloud Text-to-Speech für unsere KI-Stimme, die durch den Podcast führt und gelegentlich ihre Kommentare abgibt. Auf YouTube sind übrigens unsere zwei ersten Episoden bereits dank KI in allen erdenklichen Sprachen untertitelt – auch wenn man da dann zwischendurch feststellt, dass KI gelegentlich noch amüsant unperfekt ist. Und: Wir wollen im Verlauf der achtteiligen Serie noch an die Grenzen dessen gehen, was heute möglich ist – alles natürlich im Bereich des für uns Finanzierbaren.

«Der Aufwand für Recherche, Aufnahmen, Musik-Komposition, Sounddesign, Postproduktion, Website und Promotion ist sehr hoch»

Sie sprechen es an: «Supernova» ist ein sehr aufwendiges Audioformat. Das Budget umfasst «einen sechsstelligen Betrag», wie es im Podcast heisst. Wer sind die Geldgeber?
Es ist der kleinstmögliche sechsstellige Betrag. Den Löwenanteil übernimmt das Migros-Kulturprozent mit 80'000 Franken. Von Pro Helvetia und der Hasler-Stiftung kommen je 10'000 Franken.

Wie kam es dazu, dass diese drei Stiftungen zusammen die nötigen 100'000 Franken zusprachen?
Entscheidend war das Migros-Kulturprozent, das 2020 in der Ausschreibung «Neue Perspektiven. SlashArtist» Projekte suchte, die sich mit der zukünftigen Kulturproduktion auseinandersetzen. Da hat unsere Idee offensichtlich überzeugt (Anm. d. Red: siehe persoenlich.com vom 10.10.2020). Die anderen zwei Stiftungen zogen dann nach.

Das ist ein sehr grosses Budget. Oder wie schätzen Sie das ein? Sie haben auch schon Podcasts für die NZZ am Sonntag realisiert und kennen den US-Markt aus Ihrer Zeit in San Francisco.
Für schweizerische Verhältnisse mag es als grosses Budget erscheinen, gemessen an amerikanischen Storytelling-Produktionen ist es aber bescheiden. Bei «Supernova» reizen wir alle Möglichkeiten aus. Der Aufwand für Recherche, Aufnahmen, Musik-Komposition, Sounddesign, Postproduktion, Website und Promotion ist sehr hoch. Da kommen für das fünfköpfige Team viele Arbeitsstunden zusammen. Es freut uns jedenfalls sehr, dass es Stiftungen und Institutionen gibt, die an aufwendige Podcastformate glauben und auch bereit sind, den Preis dafür zu bezahlen. 

In den USA boomen Podcasts schon viel länger als in der Schweiz. Laut Ihren Beobachtungen: Was hat sich dort inzwischen fest etabliert?
Es ist ein fester Markt entstanden, der aber laufend im Umbruch ist. Marktbezogen gibt es einen Hahnenkampf zwischen Spotify, Amazon, Apple und Co. Inhaltlich und formal erreichen True-Crime-, Comedy- und Talk-Formate mit und von Prominenten das grösste Publikum. Die Topplätze in den Charts belegen in der Regel sehr aufwendige Formate. Und es ist wohl nicht erstaunlich, dass besonders auch in der Corona-Zeit News-Formate überaus erfolgreich sind, zum Beispiel «The Daily» der New York Times.

«Bei der nächsten Folge werden als Gäste Boris Blank von Yello und die KI-Musikerinnen Jennifer Walshe und Claire Evans auftreten»

Und was ist im Gegensatz dazu inzwischen bereits wieder am Verschwinden?
Ich vermag den Unkenrufen, wonach der sogenannte Podcast-Hype bereits wieder am Abnehmen ist, nichts abzugewinnen. Ich sehe momentan nur immer Neues entstehen. Sowohl in den USA wie hier in Europa, inklusive der Schweiz.

In der Schweiz schiessen Podcasts mittlerweile wie Pilze aus dem Boden, denn viele glauben, das sei einfach. Wann können billig und schnell produzierte Podcasts erfolgreich sein? 
Wenn sie den Nerv der Zeit und einer spezifischen Zielgruppe treffen. Und wenn die Hosts daran denken, nicht nur zu sich zu sprechen, sondern auch zum Publikum. Und das Aufnahmegerät nicht weit entfernt vom Gast in einem kahlen Büro voller Hall auf den Tisch legen. So oder so stellen viele Podcasterinnen und Podcaster schnell einmal fest, dass ihre Produktion aufwendiger ist als ursprünglich gedacht – sofern sie verhindern wollen, dass ihr Podcast billig tönt.

Karpi Roland Jennifer 3

Wie geht es mit «Supernova» weiter?
Es wird insgesamt acht Episoden geben, die im Monatsrhythmus erscheinen. Wir produzieren laufend und sind jetzt gerade an der dritten Episode. Sie erscheint am 23. Februar und ist der Musik gewidmet. Als Gäste treten unter anderen Boris Blank von Yello und die KI-Musikerinnen Jennifer Walshe und Claire Evans auf.

Wird die künstliche Merkel-Stimme nochmals vorkommen oder ein anderes, bemerkenswertes KI-Tool?
Ob uns die Bundeskanzlerin nochmals beehrt, wird sich zeigen. Vielleicht taucht auch ein anderer Stimmenklon auf. Zudem würden wir gerne mal die Story einer Episode durch KI generieren lassen – aber sind unsicher, weil wir befürchten, dass uns dann das Publikum davonläuft.




supernova_eckig

Die Audio-Serie «Supernova» begleitet die Ausstellung «Super – die zweite Schöpfung», die im Museum für Kommunikation in Bern zu sehen ist, sobald es die Corona-Situation wieder zulässt. Neben This Wachter sind Jennifer Khakshouri, Roland Fischer, Simon Meyer und Luki Fretz beteiligt. Die spezielle Webseite mit kreativer Zeichenfunktion hat Jane Schindler entworfen. Es handelt sich um ein Projekt der Audiobande, zu der alle vier Macherinnen und Macher ausser Roland Fischer gehören.

 


Kommentar wird gesendet...

KOMMENTARE

Robert Weingart
08.02.2021 16:13 Uhr
Oben von was?
Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren