28.07.2020

Sommerserie über Podcasts

Ohne Auge isst das Ohr nicht mit

Knuspern, knacken, blubbern. Schlürfen, schmatzen, kauen, quietschen: Beim Essen entstehen Geräusche. Viele Geräusche. Und trotzdem gibt es im Gegensatz zum Ausland fast keine Schweizer Podcasts zum Thema Kulinarik. Auf der Suche nach Gründen.
Sommerserie über Podcasts: Ohne Auge isst das Ohr nicht mit
Ein Lachsgericht aufgetischt im libanesichen Restaurant Yalla Habibi anlaesslich des Satellite-Previews des Kunstprojektes «Sternekoch», einer Kollaboration zwischen Kuenstler John Arnold und Michelin-Sternekoch Fabian Spiquel im Rahmen der «Manifesta 11», aufgenommen am 4. April 2016, in Zuerich. (Collage: persoenlich.com, Bild: Keystone/Alexandra Wey)

Kaum jemand spricht über gute Gerichte, über tolle Drinks, über ausschweifende Gelage, auch nicht über das stille Geniessen. Es ist hierzulande auch schwierig, Rezepte zu finden, die einem via Podcast aufgeschwatzt werden, während man, die Schürze umgebunden, mit gewetzten Messern in der Küche steht. Sind Laute schlichtweg zu wenig sinnlich?

Es sei schwierig, Rezepte rein auditiv umzusetzen, vermuten David Daniel und Paolo Domeniconi. Die beiden gehören zu den wenigen, die einen Podcast zum Thema produzieren. «Tisch frei» gibt es seit etwas über einem Jahr, eine Staffel ist «abgedreht», die zweite in Planung. Im Herbst soll sie herauskommen und nicht mehr in Restaurants aufgenommen werden wie bis anhin, sondern an Imbissständen.

Das Konzept von Daniel und Domeniconi, die im richtigen Leben als Redaktor und TV-Subregisseur und als Musiker und Komponist arbeiten, sieht vor, dass sich die beiden mit einer bekannten Person unterhalten – in einem von ihnen vorgeschlagenen Lokal. In der ersten Staffel waren das Gastronomen wie Sternekoch Heiko Nieder, mit dem sie sich im Zürcher Diner «Hooters» verabredeten, einer «Systemgastronomie-Kette» mit normalerweise spärlich bekleidetem Personal. Also das schiere Gegenteil von Nieders Arbeitsplatz – er ist Küchenchef im The Restaurant im Hotel The Dolder Grand in Zürich.

Das allein bietet Gesprächsstoff, doch in «Tisch frei» spielen auch Hintergrundgeräusche und das Spontane eine grosse Rolle. Daniel und Domeniconi bemühen sich, verschiedene Facetten von Gastronomie zu beleuchten. Dazu gehörte auch, dass sie mit Rolf Hiltl vom Haus Hiltl, dem ältesten vegetarischen Restaurant in Europa, ins Restaurant Spitz beim Landesmuseum in Zürich sassen. Oder mit Comedian und Musikerin Lara Stoll in der Kronenhalle über Kindheit sprachen und sich freuten, dass David Daniel endlich etwas Vegetarisches bekam im Traditionslokal.

Fehlen visuelle und haptische Zutaten?

Für «Tisch frei» haben die beiden Macher einen Sponsor gefunden, einen unabhängigen, wie sie betonen. Es sei schwierig gewesen, ja bitte kein Product Placement, sie wollen unabhängig bleiben und ihre Glaubwürdigkeit bewahren.

Ihr Podcast war letztes Jahr immer auf Platz eins in der Kategorie Kulinarik auf den Schweizer Listen. Das hat damit zu tun, dass die erste Staffel wirklich interessant ist, aber auch damit, dass es (fast) nichts anderes gibt für Foodies.

Getrunken und geraucht wird schon hie und da. Etwa in «Bierabvier» von Adam Keel und Pascal Scheiber. Das Getränk im Namen täuscht – die beiden haben sich wie die «Tisch frei»-Macher jeweils in einer Gartenbeiz getroffen, mit einer Persönlichkeit, und dabei Bier getrunken. Zu Beginn der Corona-Krise haben sie den Stecker gezogen, wie sie auf ihrer Website kundtun.

Auch bei «Chrut und Rüebli» einer Podcast-Serie der Migros, geht es weniger um Essen, denn um Nachhaltigkeit. Funktioniert das Konzept Podcast vielleicht einfach nicht in der Küche? Aus Mangel an Bildern und Gerüchen? Reicht es nicht, nur einen Sinn – die Akustik – anzusprechen, sondern ist es vonnöten, dass auch visuelle, olfaktorische, gustatorische und haptische Reize gekitzelt werden? Vielleicht.

Ivo Adam: Wegbereiter ohne Nachfolger

Doch in anderen Ländern gibt es sie, die reinen Food Podcasts. Hobbyköche in Deutschland, in Frankreich und vor allem in angelsächsischen Ländern verraten Rezepte während des Kochens. Oder befragen Köchinnen, Produzentinnen und Gastrounternehmerinnen: Beim US-Podcast «Radio Cherry Bombe» etwa, einem der bekanntesten Food Podcasts der USA, werden regelmässig Frauen zu Ess-Themen befragt, Lebensgeschichten rund um Lebensmittel – eine köstliche Mischung.

Oder die leider wenigen Folgen von «Home Cooking», einem Podcast von Erfolgsautorin Samin Nosrat («Salz, Fett, Säure, Hitze») und ihrem Podcast-Partner Hrishikesh Hirway, in dem sie aufzeigen, was man mit Hamsterkäufen alles machen kann – zuhause.

Aber auf Schweizerdeutsch? Fehlanzeige. Dabei hätte einer schon vor Jahren den Weg für eine erfolgreiche Foodhörszene gelegt: Ivo Adam, einst Kochweltmeister und flippiger Hansdampf-in-allen-Foodgassen, heute Direktor des Casino Bern, in dem er verschiedene Gastrokonzepte umgesetzt hat, machte schon 2003 einen Podcast. Nur hiess das damals noch nicht so. Mit seiner CD «Räpzepte», eine Weiterführung seiner Diplomarbeit für die Hotelfachschule, ging er nachher sogar auf Tour durch die Schweiz.

Thema war ursprünglich eine Ernährungsanalyse der Jugend. Dazu rappte er vier Rezepte in Realtime, beschrieb die Ernährungspyramide und Ernährungsgebote und tat sich mit Skatern und Bikern zusammen. Sehr erfolgreich, unter anderem berichtete die New York Times über sein Tun, die Website des US-Rappers Eminem und dank einer Single-Auskopplung über die Zubereitung von Birchermüesli, die der Familie Bircher so gut gefiel, fungierte er mit Doppel Platin und Gold über Jahre als erfolgreichster Rapper des Landes – ohne ein Musiker zu sein, wohlverstanden.

Auch er gibt zu bedenken, dass der Zauber des Kochens vor allem ein visueller ist. «Food Porn rein auditiv rüberzubringen, ist schwierig. Wie soll man das Schimmern von Tautröpfchen auf einer Erdbeere beschreiben?», sagt er. Warum Köche keine Podcasts machen, liegt für ihn sowieso auf der Hand: «Die meisten sind so sehr in ihrem Betrieb eingespannt, dass schlichtweg keine Zeit für anderes bleibt.» Oder man wählt ein anderes Medium: «Vor allem während des Lockdowns haben ja viele zuhause gekocht und dies dann über Soziale Medien verbreitet. Sie haben Podcasts einfach übersprungen – und machen Filme.»

Das Spiel mit den Geräuschen

Das Auge isst mit, sagt man so schön, und würde das nicht auch fürs Ohr gelten? Es beginnt ja bereits bei der Zubereitung von Essen: Rühren, würfeln, kneten. Zischen, kochen, knallen: Was auch immer man mit Lebensmitteln anstellt, bei einem Vorgang wie Sieden oder Braten entstehen Geräusche, die ein ganzes Küchenorchester speisen würden.

Damit spielt der Podcast «à point - Wissen aus der Küche auf den Punkt gebracht» von Radio SRF 1. Ihm haftet etwas Altertümliches an, vielleicht, weil es bis vor ein paar Jahren einfach klassische Radiobeiträge waren (und keine Podcasts): Kurz, kompakt, informativ. Seit 2012 tischt der Sender von Montag bis Freitag um 11.40 Uhr während ungefähr vier Minuten Küchenwissen auf.

Im Zentrum stehen Nutzwert und Hintergrundberichte. Die Sendung hat sich über die Jahre immer wieder leicht verändert, mal gab es eine wöchentliche Rubrik rund ums Trinken und Getränke im Programm, mal Geschichten hinter Gerichten, dann schlicht: backen.

Diesen Sommer etwa stand schon Basilikum im Zentrum (als Pesto, im Dessert, in der Naturheilkunde), ein allgemeineres Thema wie «Essen in Krisen» oder die besten Pasta-Köche Europas. Rezepte für einen Aprikosencrumble oder aber für Rotweinbirne erfuhr man auch. Das mutete etwas seltsam an im Juni. Aber vielleicht ist das auch gerade das Geheimnis des Podcasts: «à point» schafft es trotz angestaubtem Radioimage, immer wieder mal zu überraschen.


Diese Sommerserie über Podcasts wurde von Keystone-SDA realisiert. Sie ist mit finanzieller Unterstützung aus dem Kredit «Verständigungsmassnahmen» des Bundesamtes für Kultur zustande gekommen.

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Alle bisherigen Ausgaben der Serie finden Sie hier.



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