05.07.2022

Metaverse

«Wir befinden uns an einem Scheideweg»

Das Metaverse fordert Unternehmen, die sich an den digitalen Wandel anpassen müssen. Doch wie wird das Metaverse greifbar? Laut dem Technology-Vision-Bericht von Accenture gibt es vier Trends. Marc Zollinger, Co-Lead Technology, mit einem ersten Überblick.
Metaverse: «Wir befinden uns an einem Scheideweg»
«Unternehmen müssen jetzt umdenken», sagt Marc Zollinger, Co-Lead Technology bei Accenture Schweiz. (Bilder: Accenture, Pixabay)
von Christian Beck

Herr Zollinger, welches sind die wichtigsten Veränderungen für Schweizer Unternehmen, die das Metaverse mit sich bringt?
Das Metaverse bringt viele Möglichkeiten für Unternehmen mit. Das Einbeziehen des Metaverse eröffnet Unternehmen neue Wege, mit ihren Kundinnen und Kunden, Partnern und Mitarbeitenden zu interagieren. Die grösste Veränderung ist, dass dabei physische und virtuelle Elemente fliessend ineinander übergehen, was enormes Potenzial für neue User Experiences bietet, aber auch grosse Anpassungen an die neuen digitalen Umgebungen fordert.

Der Technology-Vision-Bericht von Accenture befasst sich dieses Jahr ausgiebig mit dem Metaverse. Was bringt das?
Accenture zeigt in seinem Bericht auf, wie es Unternehmen in der Schweiz gelingen kann, im internationalen Markt und im Zuge dieser neuen Digitalisierungswelle effizient Anschluss zu finden. Rund 71 Prozent der weltweit befragten Führungskräfte sehen eine hohe Wichtigkeit darin, ihre digitalen Infrastrukturen auszubauen, und sind überzeugt davon, dass das Metaverse einen positiven, bahnbrechenden Einfluss auf ihre Industrien haben wird.

«Das Metaverse ist die nächste Evolutionsstufe des Internets», sagte Daniel Gremli von Bandara in einem persoenlich.com-Interview. Wie weit in der Zukunft liegt ein funktionierendes Metaverse?
Ein funktionstüchtiges Metaverse beziehungsweise den theoretischen Ansatz dahinter gibt es bereits, demnach liegt es kommerziell nicht weit in der Zukunft. Es liegt nun daran, dass durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) und anderen zukunftstreibenden Technologien wie zum Beispiel auch Blockchain das Entstehen und der Nutzen von virtuellen Welten vorangetrieben und das Metaverse greifbarer gemacht wird. Dabei kristallisieren sich vier wichtige Trends heraus: das virtuelle Ich, die programmierbare Welt, die unwirkliche Wirklichkeit und die Berechnung des Undenkbaren.

«Das Metaverse wird wie selbstverständlich zum nächsten Evolutionsschritt»

Gerne möchte ich mit Ihnen diese vier Trends etwas beleuchten.
Beim ersten Trend, dem «virtuellen Ich», geht es um die Neuerfindung des Internets. Das Metaverse wird wie selbstverständlich zum nächsten Evolutionsschritt, der das heutige Internet mit künftigen Anforderungen verknüpft. Unternehmen müssen dabei ihre Online-Präsenz radikal verändern. Der zweite Trend der programmierbaren Welt zeigt auf, wie Technologie auf immer raffiniertere Weise in unsere physische Umwelt eingebunden wird. 5G, Ambient Computing, Augmented Reality und intelligente Werkstoffe werden die Art und Weise verändern, wie Unternehmen mit der physischen Welt interagieren – und damit ein noch nie da gewesenes Mass an Kontrolle, Automatisierung und Personalisierung freisetzen.

Und der dritte Trend?
Der dritte Trend wird definiert als «unwirkliche Wirklichkeit»: Wir haben es zunehmend mit Softwaresystemen zu tun, die sich extrem menschlich verhalten. Gleichzeitig werden die Menschen mit Akteuren konfrontiert, die mit dieser Technologie Missbrauch betreiben – von Deepfakes bis zu Bots und mehr. Das löst eine wachsende Besorgnis aus, die zum grössten Entwicklungshindernis für KI werden könnte. Der vierte und letzte Trend wird als «Berechnung des Undenkbaren» bezeichnet. Wir stehen kurz davor, traditionelle Industrien neu zu erfinden und abzuändern, denn die Grenzen des Berechenbaren ändern sich. Ursache ist die Entwicklung einer neuen Klasse von Maschinen: Quantencomputer, biologisch inspirierte und Hochleistungscomputer ermöglichen Unternehmen, die grössten Hürden ihrer Branche zu bewältigen. Bislang unlösbare Fragen lassen sich künftig beantworten. Führungskräfte müssen daher grundlegende Annahmen über ihr Unternehmen infrage stellen.

Welche Bilanz für die Schweiz ziehen Sie basierend auf diesen vier identifizierten Trends?
Wir befinden uns an einem Scheideweg. Nicht, weil es neue Technologien zu beherrschen gilt, sondern weil der Wettbewerb im nächsten Jahrzehnt weit mehr als technische Fähigkeiten und Innovationskraft fordert. Eine wirklich wettbewerbsfähige Vision ist notwendig – sowohl dafür wie die zukünftigen virtuellen und hybriden Welten aussehen und mit der physischen Welt interagieren werden als auch dafür, wohin sich Unternehmen entwickeln müssen, um in diesen Welten erfolgreich zu sein. So sind beispielsweise 92 Prozent der Schweizer Unternehmen der Meinung, dass programmierbare Welten und «smart materials» enorm grosse Weiterentwicklungsmöglichkeiten für den Markt, in welchem sie sich befinden, mit sich bringen.

Was bedeutet das konkret und wie wird sich dieser Wandel in der Schweiz bemerkbar machen?
Unternehmen müssen jetzt umdenken und sich an diesen digitalen Wandel konkret anpassen, um nicht von ihren Kundinnen und Kunden oder Partnern auf der Strecke gelassen zu werden. Accenture lässt hier im Bericht in die Zukunft schauen.

Dann schauen wir doch gemeinsam in die Zukunft. Können Sie uns ein Beispiel machen?
Das kann folgendermassen aussehen: Eine Vorarbeiterin ist physisch vor Ort auf einer Baustelle mit einem Projekt beschäftigt. Plötzlich erscheint ihr KI-basierter Assistent als Hologramm, um sie an ein Meeting mit dem Stadtinspektor zu erinnern. Im mobilen Büro der Baustelle setzt sie ihr VR-Headset auf und findet sich in der Lobby des virtuellen Stadtplanungsamtes wieder, wo ihr Assistent ihr den Weg zum virtuellen Konferenzraum weist. Dieser verwandelt sich beim Eintreten in die Baustelle, die in Echtzeit von einer Drohne vor Ort aufgenommen wird. Zusammen mit dem Inspektor bespricht die Vorarbeiterin das Projekt. Nach dem Meeting setzt sie ihr Headset ab und geht zurück auf die Baustelle.

«In den nächsten Jahren werden rund 80 Prozent dieser Fülle an Information über die Cloud gespeichert werden»

Im Zuge der Digitalisierung wurde vielerorts auch über die Speicherung von Daten diskutiert. Wird eine neue, digitalere Welt wie das Metaverse diese Diskussion aufs Neue ausrollen?
Daten und vor allem deren Speicherung spielen sicherlich eine zentrale Rolle für den Anschluss vieler Unternehmen an den Markt. Accenture geht davon aus, dass in den nächsten Jahren rund 80 Prozent dieser Fülle an Information über die Cloud gespeichert werden wird. Dabei stehen natürlich Datensicherheit und Datenschutz weiterhin im Fokus. Wir gehen davon aus, dass die im Metaverse eingesetzten Technologien künftig eine gezielte Freigabe von persönlichen Daten und das genau Tracking der Verwendung dieser – oder «meiner» – Daten ermöglichen.

Wie hat sich die Diskussion in der Zwischenzeit verändert?
Für die effiziente Nutzung und die Umwandlung von Signalen und Daten zu brauchbarem Wissen bietet die Cloud grosses Potenzial, um nahtlose Wertschöpfungsketten zu gewährleisten und Content «shareable» zu machen. Die Wichtigkeit einer teilbaren, nicht lokalen Datenbank, gab es zwar zuvor bereits. Nun steht allerdings die Herausforderung an, ganze «Welten» in einer Cloud zu speichern und miteinander zu verknüpfen.

Was ist Ihr Fazit aus diesem Bericht?
Jahrzehntelang waren Computer, die die «grossen Herausforderungen» der Welt effizient lösen können, nicht mehr als theoretische Konzepte. Unternehmen können es sich aber nicht mehr leisten, nur abstrakt darüber nachzudenken. Diese Computer entwickeln sich rasant weiter und ihre Auswirkungen auf die grundlegendsten Probleme der Industrie können entweder deren Ende bedeuten oder die grösste Chance seit Generationen sein. Unternehmen, die heute damit beginnen, ihre Branche umzugestalten und eine Zukunft mit diesen Maschinen vorwegzunehmen, werden die besten Chancen auf Letzteres haben.

 



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