28.07.2023

Reda El Arbi

«Da war dieser Jugendtraum vom eigenen Roman»

In einem Monat erscheint der Science-Fiction-Roman «[empfindungsfæhig]», das Erstlingswerk von Reda El Arbi. Damit zeigt der scharfzüngige Journalist, Blogger, Campaigner und Texter eine neue Seite von sich. Der 54-Jährige über Cosplay, Cyberpunk und ChatGPT.
Reda El Arbi: «Da war dieser Jugendtraum vom eigenen Roman»
«Ich werde sicher als unhöflich wahrgenommen, manchmal als vulgär und verletzend», so Reda El Arbi, langjähriger Journalist und Neo-Autor. (Bild: Ariane Pochon)

Reda El Arbi, wenn Sie eine fiktive Figur sein könnten, dann wäre es welche?
Sicher Robin Hood. Aber die Disney-Version von 1973. Das war schon in meiner Kindheit mein Vorbild. Die Mischung aus Autonomie, Schlagkraft und Witz hat es mir angetan.

In einem Monat, am 28. August, erscheint Ihr Erstlingsroman «[empfindungsfæhig]». Wie gross ist die Vorfreude?
Sehr gross. Die Aussicht, meinen eigenen Roman im Schaufenster eines Buchladens zu sehen, ist wirklich kaum zu übertreffen. Wahrscheinlich gehe ich meinem Umfeld mit meiner Vorfreude schon auf die Nerven.

Laut Klappentext ist Ihr Buch «ein rasanter und messerscharfer Science-Fiction-Roman über zukünftige Macht und Empathie von KI-Einheiten». Können Sie in 20 Sekunden den Inhalt umreissen?
Es geht um eine schlecht gelaunte junge Frau, die zusammen mit der künstlichen Intelligenz, die in ihrer Cyber-Armprothese lebt, und einem alten weissen Mann eine Verschwörung gegen die regierenden Superintelligenzen aufdecken muss. Dabei schiesst sie meist, bevor sie Fragen stellt. Und übergibt sich dann.

Wie kamen Sie auf diese Idee?
Cyberpunk-Geschichten wie Matrix, Blade Runner, Ghost in the Shell oder Altered Carbon haben mich immer fasziniert. Es ist die Mischung aus logischer Weiterentwicklung und freier Erfindungsgabe, die mich reizt.


Die Geschichte handelt im Jahr 2082. Warum ausgerechnet in diesem Jahr?
Das ist der Zeitraum, für den ich eine Vision entwickeln kann. So kann man die gesellschaftliche Entwicklung noch irgendwie logisch mit der Gegenwart verknüpfen. Space Operas, die in einigen hundert Jahren spielen, sind dann wirklich eher Fantasy als SciFi.

Künstliche Intelligenz (KI) ist derzeit in aller Munde. Ist es Zufall, dass Sie ein derart aktuelles Thema bedienen?
Der Zeitpunkt ist Zufall. Die Storyline war schon lange vor ChatGPT gesetzt. Und KI ist im Genre, das ich liebe, schon immer überpräsent. In der Neuromancer-Trilogie von William Gibson aus dem Jahr 1984 sind die KIs – und das damals noch kaum existierende Internet – starke Protagonist:innen (Anm. der Red.: El Arbi spricht bei Interviews und in Vorträgen inkludierend). Auch Matrix und Blade Runner haben sich schon lange vor ChatGPT mit künstlichen Entitäten auseinandergesetzt.

«Der kreative Akt benötigt Empfindungsfähigkeit und Wahnsinn»

Warum haben Sie eigentlich nicht eine KI den Roman schreiben lassen?
KIs sind grossartig im Dinge zusammensetzen. Sie suchen die bestmögliche Mittelmässigkeit aus allen zugänglichen Daten. Ich würde sofort Marketingtexte von einer KI schreiben lassen, weil diese kaum banaler werden können als die bereits existierenden. Der kreative Akt benötigt jedoch Empfindungsfähigkeit und Wahnsinn. Kombiniert entsteht daraus dann effektiv Neues.

Sie haben Ihre über 18'000 Follower auf Twitter immer wieder über die Entstehung Ihres Romans informiert. Wie viel Inspiration gab Ihnen Twitter?
Twitter war für mich einfach eine Plattform, auf der ich meine Freude über das Projekt teilen konnte. Ich habe auch einige Probeleser:innen so organisiert, als ich unsicher war, ob man die Geschichte versteht. Aber Insta, mit der Nerd- und Cosplay-Community war immer wieder eine Inspiration.

Sie sprechen inkludierend. Warum finde ich in Ihrem Roman keine Gender-Sonderzeichen?
Die braucht es da nicht. Die Personen wechseln das Geschlecht, wie sie grad wollen.

«Das wirklich schwierige war, das Buch irgendwann loszulassen»

Wie gross war der Leidensweg von der ersten bis zur letzten Zeile?
Nicht besonders hoch. Ich hab mir 2022 ein Sabbatical geleistet, um endlich mein angefangenes Manuskript zu beenden. Dabei hab ich festgestellt, dass ich das Ganze, bis auf eine Randfigur, wegwerfen muss, um ganz von vorne zu beginnen. Ich habe dann den Hauptplot von rund 400 Seiten dank meines ADHS in vier Wochen runtergeschrieben. Danach noch sechs bis sieben Mal überarbeitet. Das wirklich schwierige war, das Buch dann irgendwann loszulassen.

Am 25. März twitterten Sie, dass das Buch nun fertig geschrieben sei. Wie fanden Sie den richtigen Vertriebspartner?
Ende März gings ins letzte Lektorat. Ich hatte reines Glück. Vor einem Jahr las eine Bekannte, die für die Literaturagentur Kossak in Hamburg arbeitete, auf Twitter, dass ich gerade einen Roman schreibe. Sie kontaktierte mich und holte mich in die Agentur. Lars Schultze-Kossak, der Geschäftsführer, begutachtete die ersten vorhandenen Kapitel und suchte nach einem passenden Verlag. Er wurde bei Lectorbooks in Zürich fündig. Und mit André Gstettenhofer, einem Verleger mit jahrelanger Erfahrung, hats von Anfang an funktioniert.

Sie denken gross und schrieben: «Mein Buch ist noch nicht mal im Lektorat, und ich suche mir schon die Schweizer Schauspielerinnen aus, die die Hauptrollen in der Netflix-Verfilmung übernehmen.» Sind Sie von Grund auf ein optimistischer Mensch?
Ja, meistens. Aber der Gedanke an Netflix oder einen anderen Streamingdienst kam aus der Geschichte heraus. Ich hab das Buch so geschrieben, dass ich es mir selbst als Serie anschauen würde. Und man darf ja träumen.

In den sozialen Medien werden Sie manchmal grobschlächtig wahrgenommen. Wann verlieren Sie die Fassung?
Ich werde sicher als unhöflich wahrgenommen, manchmal als vulgär und verletzend. Aber ich verliere nicht oft wirklich die Fassung, meist sind meine Beleidigungen gezielt und absichtlich. In der Pandemie, in den endlosen Diskussionen über Fakten, Lügen und Irrsinn, habe ich dann aber doch ab und an das Mass überschritten. Inzwischen gebe ich mir Mühe, nur noch da zuzubeissen, wo es notwendig ist.

Im echten Leben sind Sie sanftmütig, dies widerspiegelt sich selbst in Ihrer Stimme. Woher kommt dieser Kontrast?
Meine Online-Persona zeigt nur einen Teil von mir. Auf Twitter mache ich meist politische Statements gegen eine menschenverachtende Mentalität, gegen Rassismus, gegen Queer-Hass, gegen totalitäre Tendenzen, wie man sie bei Putin-Fans findet. In diesem Umfeld helfen die üblichen, schöngeistig durchdachten Statements meiner wohlmeinenden Gutmenschen-Freunde wenig. Da braucht es auch mal harte Worte. Im direkten Kontakt muss ich den Menschen meist erst klarmachen, dass ich keine Köpfe abreisse. Also bin ich da einfach netter.

«An klassischer PR hat mich eigentlich nie was gereizt»

Einen Kontrast gibt es auch in Ihrem beruflichen Werdegang. 2018 haben Sie als Journalist dem Tages-Anzeiger den Rücken gekehrt und sich mit Fadegrad Kommunikation selbstständig gemacht. Was reizte Sie an der PR?
An klassischer PR hat mich eigentlich nie was gereizt. Politische Kommunikation, Campaigning und Mediation/Krisenberatung hingegen fand ich irgendwann spannender als Berichterstattung.

Hatten Sie zu wenig Aufträge, dass Sie sich dann an einem Roman versuchten?
Nein, im Gegenteil. Ende 2021 stand ich vor einem Burnout und musste mir überlegen, wie ich mein weiteres Leben gestalten wollte. Meine Frau wünschte sich, dass ich für eine Weile keine grossen nationalen Kampagnen mehr begleite. Also behielt ich noch meine Stammklienten und mache jetzt ab und zu eine Beratung. Und da war ja auch dieser Jugendtraum vom eigenen Roman …

Dem Journalismus haben Sie sich gänzlich abgewendet – oder steht bald ein Comeback an?
Nicht geplant. Ich leite für einen grösseren Schweizer Verband den Online-Auftritt des Branchenmagazins, bin immer wieder Experte beim MAZ und hatte letztes Jahr noch ein Mandat als Ausbildungsbegleiter bei Bajour. Ganz werde ich den Journalismus nicht los, aber ich halte mich da eher im Hintergrund.



Der Roman «[empfindungsfæhig]» umfasst 432 Seiten und erscheint Ende August im Zürcher Verlag Lectorbooks.


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