Herr Hildbrand, Sie legen weitere 555 Witze über die Schweizer Politik nach. Nehmen Sie Politiker einfach nicht ernst?
Ich nehme viele Politiker ernst, aber bei weitem nicht alle. Mir gefällt, was FDP-Ständerat Philipp Müller gesagt hat: «Politik ohne Humor ist unerträglich». Das Bundeshaus ist keine spassbefreite Zone. Man kann zwar nicht mit jedem Politiker lachen. Aber über fast jeden. Ich will den Unzulänglichkeiten der Politiker mit heiterer Gelassenheit zu begegnen, aber durchaus robust zu scherzen. Die Welt wird immer komplexer, und viele Menschen fühlen sich überfordert. Sie haben das Gefühl, nichts bewirken zu können. Mit meinem Buch können sie immerhin über die Politik lachen.
Über 100 geläufige Namen aus dem Bundeshaus kommen im neuen Band vor. Sind die Witze zufällig den Protagonisten zugeordnet?
Nicht zufällig, nein. Bei einem Politikerwitz muss im Keim ein Prise Wahrheit vorhanden sein. Anekdoten, Sprüche und Witze hänge ich Politikern wie einen Mantel um. Der Mantel muss aber passen. Kein Spass ohne Ernst. Oder: Der Scherz ist das Loch, aus dem die Wahrheit pfeift. Jeder Witz ist also immer auch eine kleine Erkenntnis. Aber selbstverständlich leben auch politische Witze von bizarrer, skurriler Übertreibung und Zuspitzung. Botschaftslose Albernheiten sind ebenfalls gestattet.
Über welchen Politiker kann man am besten Witze machen?
Über Politiker und Politikerinnen mit Ecken und Kanten. Dankbare «Opfer» sind Christoph Blocher, Johann Schneider-Ammann, Ueli Maurer, Doris Leuthard oder Simonetta Sommaruga, um nur fünf Beispiele zu nennen. Ich sage es immer wieder: über unbedeutende Politiker gibt es keine Witze.
Wo kommen Ihnen eigentlich solche Witze in den Sinn?
Das ist harte Arbeit. Wenn man Politikern in den Hintern treten will, braucht man viel Zehenspitzengefühl. Als Autor von Humorbüchern muss man die Politik und ihre Protagonisten in den Medien, und auch mal vor Ort, aufmerksam beobachten und verfolgen, wie das auch Karikaturisten tun. Manchmal beneide ich meine eingeschlafenen Füsse, während ich die «Arena» schaue.
Der neue Band kann man nicht nur lesen, sondern auch hören. Eine CD liegt bei. Wie kam es zu dieser Idee?
Die Idee stammt von meinem Verleger Lukas Heim von Weltbild Schweiz. Ich bin einer, der oft und gerne Geschichten, Witze und Anekdoten vorträgt. Darum wollte Heim dem Buch eine CD beilegen, auf der ich meine 50 liebsten Politikerwitze und -sprüche erzähle.
Und nun erzählen Sie uns noch Ihren Lieblingswitz…
Ich mag natürlich alle 555 Witze, Anekdoten und Sprüche sehr in meinem neuen Buch. Einem meiner Nachbarn gefällt dieser besonders gut: «Der Schweizer Filmregisseur Michael Steiner beim Casting zu einem Schauspieler: ‹Stell mal Weltkrieg, Hungersnot und Tschernobyl in einem Gesicht dar, verbunden mit dem Blick eines Bibliothekars bei massiver Überschreitung der Ausleihzeit und dem eines Menschen, dem man in seinem ganzen Leben noch nie etwas geschenkt hat.› Der Schauspieler gibt alles. Michi Steiner: ‹Perfekt. In meinem neuen Film wirst du Moritz Leuenberger spielen!›»
«Schweizer Politik zum Lachen 2» von René Hildbrand ist im Weltbild-Verlag erschienen. Hildbrand ist Journalist und langjähriger Fernsehkritiker. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star». Er schreibt in regelmässigen Abständen TV-Kritiken für persoenlich.com.