Die Kandidatinnen und Kandidaten aus der Medien- und Kommunikationsbranche waren am Wahlsonntag wenig erfolgreich. Eine Auswertung von persoenlich.com zeigt: Von den 180 kandidierenden Branchenleuten in der Deutschschweiz schafften nur sechs die Wahl in den Nationalrat. Davon ist die Journalistin, Autorin und Polit-Influencerin Anna Rosenwasser die Einzige, die erstmals kandidiert hat. Es war eine Überraschungswahl. Die neue SP-Nationalrätin holte 92'462 Stimmen und kletterte von Listenplatz 20 auf 8. Rosenwasser ist LGBTQ-Aktivistin, auf Instagram folgen ihr über 35'000 Menschen.
Die Wahl sei nicht ihr primäres Ziel gewesen, sagt Rosenwasser, die Journalismus und Politikwissenschaften studiert hat, am Sonntag im Interview mit Watson. «Ich wollte vor allem bewirken, dass weniger Wahlcouverts im Altpapier landen. Denn viele Menschen fühlen sich in der Politik nicht repräsentiert und wählen darum nicht, weil sie denken, es bringe ihnen nichts.» Gegenüber dem Tages-Anzeiger äusserte die 33-Jährige am Montag Zweifel, ob sie das Mandat überhaupt annimmt. «Im Moment ist es, als würde ich vom Bekifftsein runterkommen», sagt sie der Zeitung.
Fünf Wiederwahlen aus der Branche
In den Nationalrat wiedergewählt wurden Cédric Wermuth (Co-Präsident SP), Strategieberater Spinas Civil Voices, und Min Li Marti (SP), Verlegerin und Chefredaktorin der Wochenzeitung P.S. Bestätigt wurden auch Gregor Rutz (SVP), Inhaber einer Kommunikationsagentur, Philipp Kutter (Mitte), Kommunikationsfachmann, und Marianne Binder-Keller (Mitte), Kommunikationsberaterin. Diese drei kandidierten zudem für den Ständerat, wurden am Sonntag jedoch noch nicht gewählt. Rutz, der für die SVP Zürich kandidiert, hat gute Chancen für den zweiten Wahlgang am 19. November. Bei Binder-Keller (Mitte/Aargau) und Philipp Kutter (Mitte/Zürich) ist noch unklar, ob sie sich für den zweiten Wahlgang aufstellen lassen.
Schmezer wegen SP-Listensystem nicht gewählt
Eine Wahlniederlage musste GLP-Nationalrätin Judith Bellaiche einstecken. Die Swico-Geschäftsführerin wurde vom Stimmvolk nach einer Legislaturperiode abgewählt. «Ich habe es als Privileg empfunden, in Bern zu politisieren und unsere Zukunft mitzugestalten. Ich habe immer alles gegeben, viel gelernt und konnte auch einige Erfolge verbuchen», schreibt sie auf dem Netzwerkportal LinkedIn und fügt dort an: «Aufstehen, Krone richten, weiterlaufen.»
Nicht so wie erhofft verlief der Wahlsonntag auch für Ueli Schmezer. Der frühere Kassensturz-Moderator wollte für die SP in den Nationalrat, ganz gereicht hat es jedoch nicht. Auf seiner Website bedankt sich Schmezer für die «unzähligen persönlichen Begegnungen während der Wahlkampagne». Mit 49'321 Stimmen erreichte er das fünftbeste Resultat der Kandidierenden der SP im Kanton Bern. Also habe es eigentlich «gereicht», wie Schmezer auf Anfrage schreibt. Das SP-Listensystem habe aber dazu geführt, dass der Sitz an eine Person mit weniger Stimmen gehe.
«Mutmacher-Resultat» für Nadine Jürgensen
Nadine Jürgensen erreichte am Wahlsonntag 49'975 Stimmen und rückte acht Plätze vor. Sie ist «sehr zufrieden und dankbar mit dem Resultat», wie sie auf Anfrage sagt. Die Mitgründerin des Medien-Start-ups ElleXX kandidierte erstmals für die FDP. Gegenüber persoenlich.com nennt sie das Ergebnis ein «Mutmacher-Resultat». Den Wahlsonntag hat die Unternehmerin mit der Familie und den Eltern verbracht – «beim Mittagessen, vor dem Fernsehgerät und natürlich wurde ständig die Seite des Statistischen Amts aktualisiert». Sie fügt an: «Als sich abzeichnete, dass ich Listenplätze gutmachten konnte, haben wir angestossen». Mit Blick auf die Zukunft sagt die frühere NZZ-Journalistin: «Ich werde mich sicher auf Gemeindeebene vermehrt einbringen, momentan geht es um den neuen Dorfplatz. Wie es national weitergeht, wird sich zeigen. Ich bleibe jedenfalls dran und werde auch mein politisches Profil in den nächsten Jahren schärfen.
Matthias Kiess, CEO der Werbeagentur TBWA\Zürich, hatte «keine zu grossen Ambitionen» auf eine Wahl in den Nationalrat, wie er im Vorfeld gegenüber persoenlich.com sagte. Nachdem er am Sonntagmorgen sein Wahl-Couvert und diejenigen seiner Familie auf der Gemeinde abgegeben hatte, sei sein Wahltag entsprechend primär mit sportlicher Freizeitbeschäftigung in der Natur verlaufen, wie er am Montag auf Anfrage schreibt. Natürlich parallel dazu immer wieder mal mit der Prüfung des News-Tickers. «Selbstverständlich war es spannend zu sehen, wie sich die eigenen Stimmzahlen entwickelt haben», sagt er.
Kiess erreichte etwas über 2500 Stimmen und ist «ganz zufrieden» damit. Dies gemessen an seinem Effort, der vorwiegend aus drei Posts, Smartvote und einem mobilen Plakat an meinem Velochörbli (zwei Wochen Aushang) bestanden habe.